GASTKOMMENTAR: Eingriff erforderlich
■ West-Berlin und die Pressefreiheit
Für einen Amerikaner ist es abscheulich. Es ist eine Bedrohung der wesentlichen Grundsätze der Demokratie. Und es geschah im „freien“ West-Berlin. In mehr als einem Dutzend nachgewiesener Fälle wurde die Presse offiziell an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert, gehindert von Polizeitrupps in Kampfanzügen aus jener bundesdeutschen und West-Berliner Mischbesatzung, die für die Dauer des IWF/Weltbank-Kongresses zusammengezogen worden war. In einigen dieser Fälle wurden tatsächlich Journalisten von der Polizei geschlagen.
Aber das Erschreckendste all dieser Übergriffe gegen die freie Presse in Berlin in dieser Woche geht auf das Konto von Innensenator Wilhelm Kewenig. Er hat es unternommen, die Pressefreiheit neu zu definieren, indem er erklärte, sie müsse hinter seinen Polizeieinsatzplänen zurückstehen. Er hat es fertiggebracht festzulegen, welche Fragen ER der freien Presse zu stellen erlaubt; und solche Fragen, die er nicht mag, werden für ihn dann zu Beweisen von „Unterstützungsaktionen“ für angebliche „Gewalttäter“. ER schlägt alle Beweise, die in Fernsehen und Presse gezeigt wurden, in den Wind und behauptet, einen „Pressekessel“ habe es nie gegeben, es habe überhaupt nur ganz wenig Behinderung der Presse gegeben. Fotodokumente, die das Gegenteil beweisen, werden zu „Standfotos“ erklärt.
West-Berlins Ansehen ist von vielen der Polizeiaktionen dieser Woche und den ihnen folgenden Worten von Kewenig schwer beschädigt worden. Ein Innensenator, der die Pressefreiheit derart einschränken will, ist untragbar. Wenn der Regierende Bürgermeister dieser Stadt es ablehnt, den notwendigen Schritt zu seiner Entlassung zu tun, müssen endlich höhere politische Instanzen eingreifen.
Ran Jak, US-amerikanischer Journalist und Beobachter in Berlin
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