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G8Polizeigewerkschaft kritisiert Einsatz

Die Polizeigewerkschaft hat sich entsetzt über das Vorgehen bei Anti-G8-Demos gezeigt. Äußerungen des Kavala-Sprechers seien "zynisch".

Wasser Marsch! Polizeieinsatz in Hinter Bollhagen Bild: dpa

BERLIN taz Eigentlich wollten sie sich nach den anstrengenden Gipfeltagen von Heiligendamm erst einmal entspannen. Doch für einige Protestler und Polizisten ist die Nachlese des Gipfels mindestens so anstrengend wie die Vorbereitung. Immerhin: Statt in einem stickigen Zelt am Rostocker Stadthafen wie noch vor einer Woche diskutieren sie jetzt in einem schmucken Sitzungssaal mit Blick auf den Reichstag bei Bio-Apfelsaft. Die Bundestags-Grünen Wolfgang Wieland und Hans-Christian Ströbele hatten gestern zu eine "kleinen Verständigungsrunde" geladen.

Es ging um die Sammlung von Augenzeugen, die Suche nach Verantwortlichen und die juristische Aufarbeitung. Das vorläufige Ergebnis: Attac wird ein Hearing in Berlin veranstalten, um mit Zeugen, Fotos und Videos die Geschehnisse um Heiligendamm aufzuklären. Die Grünen prüfen, ob sie wegen des Tornado-Einsatzes über dem Camp in Reddelich vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Und die Gewerkschaft der Polizei wird nächste Woche Beamte aus ganz Deutschland zur Manöverkritik einladen.

Silke Studzinski vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) sprach von einer "schlimmen Bilanz". In mehreren Fällen sei der Zugang der Anwälte zu den gefangenen Demonstranten behindert worden. Zahlreiche Gefangene seien trotz richterlicher Anordnung nicht umgehend freigelassen worden. Außerdem werde wichtiges Beweismaterial von der Polizei unterdrückt, etwa Fotos von misshandelten Demonstranten. Bei alldem habe es keine Möglichkeit gegeben, sich bei einer zuständigen Stelle zu beschweren. Studzinski nannte das Verhalten der Polizei in Rostock und Heiligendamm "rechtswidrig".

Auch Jörg Radek von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte sich entsetzt über das Vorgehen der Einsatzleitung. Seine Bilanz: "Es sind Dinge passiert, von denen ich immer dachte, dass wir sie in der deutschen Polizei anders handhaben." Er kritisierte besonders die unklaren Zuständigkeiten in der Polizeiführung. Bundesbehörden verweisen regelmäßig auf die Zuständigkeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Die dortige Landesregierung verweist auf die Polizei-Sondereinheit Kavala. "Wo ist da die parlamentarische Anbindung?", fragt Radek. Die Äußerungen des Kavala-Sprechers, der nach der Großdemo vom 2. Juni von einer erfolgreichen Deeskalationsstrategie sprach, nannte Radek "zynisch".

Sven Giegold von Attac übte auch Selbstkritik: "Nach allem, was wir bisher wissen, ist die Eskalation auf der Großdemo von Demonstranten ausgegangen." Es sei jedoch falsch, den schwarzen Block als Ganzen zu beschuldigen. "Weite Teile des schwarzen Blocks haben mit anderen friedlichen Demonstranten versucht, zu deeskalieren." Giegold beklagte zudem die "gezielte Desinformation" durch die Polizei, die anschließend von Nachrichtenagenturen "ungeprüft verbreitet" worden sei.

Die Geschehnisse rund um den G-8-Gipfel dürften auch ein juristisches Nachspiel haben. Die Fraktion der Grünen im Bundestag prüft, vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen. Die obersten Richter sollen entscheiden, ob der Einsatz von Bundeswehr-Tornados zur Überwachung des Protestcamps in Reddelich verfassungsgemäß war.

Auch der Einsatz des Zivilpolizisten bei den Blockaden vor dem Zaun am vergangenen Donnerstag könnte gerichtlich geklärt werden. Es ist noch unklar, ob der Beamte als Provokateur gezielt zum Angriff auf die Polizei aufgerufen hat. Derzeit sucht Hans-Christian Ströbele von den Grünen nach Zeugen. Einen Augenzeugen hatte er schon bei sich im Büro. "Wir sind nah dran", sagte er.

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