G20-Gipfel in Johannesburg: Südafrika als moralischer Sieger gegen die USA
Trotz US-Boykott geht der G20-Gipfel in Südafrika erfolgreich über die Bühne. „Die Welt macht ihre Arbeit so oder so“, sagt Gastgeber Cyril Ramaphosa.
Der G20-Gipfel der neunzehn größten Industrie- und Schwellenländer plus EU (Europäische Union) und AU (Afrikanische Union) in Südafrika an diesem Wochenende markiert einen Wendepunkt in der internationalen Politik. Die USA übernehmen die G20-Präsidentschaft, womit vier Jahre Führung durch den „Globalen Süden“ zu Ende gehen, nach Indonesien, Indien, Brasilien und in diesem Jahr Südafrika. Aber zugleich boykottierte die US-Regierung den Gipfel im südafrikanischen Johannesburg – US-Präsident Donald Trump nimmt gegen Südafrika eine immer feindseligere Position ein, warf der Regierung „Völkermord“ an weißen Südafrikanern vor und nannte den Umstand, dass die G20 in Südafrika tagen, einen „Skandal“.
Südafrika reagierte auf den US-Boykott, indem es zum ersten Mal alle Länder Afrikas zum G20-Sozialgipfel einlud, der vor dem Staatengipfel zivilgesellschaftliche Stimmen zusammenführte. Supra Mahumapelo, Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im südafrikanischen Parlament, sprach von einem Meilenstein, und Diplomaten priesen die Stärkung der Rolle Südafrikas als Führungsnation des afrikanischen Kontinents. Der Sozialgipfel stellte sich hinter das Recht auf allgemeinen Zugang zu sauberer und erschwinglicher Energie bis 2030, eine wichtige Zielmarke für Entwicklungsländer, und rief zu einer „gerechten Transition“ im Umgang mit dem Klimawandel auf.
Pünktlich zum Gipfel verhängten die USA schließlich ein Einreiseverbot gegen Südafrikas ehemalige Außenministerin Naledi Pandor. Sie habe vom zuständigen US-Konsulat die Nachricht erhalten, dass ihr gültiges US-Visum aus dem Jahr 2024 widerrufen sei, teilte die heutige Vorsitzende der Nelson-Mandela-Stiftung mit. Pandor, 2019-24 in der Regierung, hatte im Dezember 2023 als damalige Außenministerin die Klage Südafrikas gegen Israel beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Verstößen gegen die UN-Völkermordkonvention in Gaza eingereicht.
Das US-Einreiseverbot sei eine Warnung an alle afrikanischen Stimmen, die sich gegen westliche Hegemonie stemmen, sagten südafrikanische Kommentatoren dazu. Man dürfe sich davon nicht beeindrucken lassen: Selbst Nelson Mandela habe einst in den USA auf der Terrorliste gestanden. Südafrika müsse sich stärker auf die Solidarität des Globalen Südens funktionieren und Afrika müsse als geeinte Kraft auftreten, die man nicht herumkommandieren kann.
Gerüchte und Dementis zwischen Pretoria und Washington
Das erratische Verhaltens Washington sorgte für Frust bei den südafrikanischen G20-Gastgebern. Gerüchte, wonach die USA in letzter Minute doch noch kommen würden, zerschlugen sich kurz vor dem Gipfel. „In der elften Stunde“ habe Washington den Boykott zurückgezogen und eine Teilnahme verlangt, als alles schon logistisch vorbereitet war, erklärte Südafrikas Regierung. Die US-Regierung dementierten dies jedoch als „Frechheit“. Am Ende gab es dann doch noch eine niederrangige Präsenz der USA als nächster G20-Gastgeber. Aber die Zeremonie zur Übergabe der Präsidentschaft von Südafrika an die USA wurde protokollarisch heruntergestuft.
Die USA scheiterten auch mit ihrem Versuch, die Verabschiedung einer gemeinsamen Gipfelerklärung zu verhindern. „Südafrika wird eine Erklärung veröffentlichen“, insistierte Präsident Cyril Ramaphosa und betonte, der Gipfel könne nicht Geisel des politischen Theaters einer einzelnen Nation werden.
Die Legitimität der G20-Runde hänge nicht von der Anwesenheit der USA ab, so Ramaphosa weiter: „Die USA sind Mitglied der G20. Aber die Welt macht ihre Arbeit so oder so.“ Südafrikanische Beobachter werten das Verhalten der USA als Einladung vor allem an China, eine noch stärkere Rolle als alternative Führungsmacht im Globalen Süden zu spielen, während die moralische Autorität des Westens schwindet.
Dies spiegelt sich auch in der G20-Abschlusserklärung wieder. Sie spricht sich für eine höhere Förderung strategischer Rohstoffe in Entwicklungsländern aus, mit mehr Wertschöpfung vor Ort – dazu gehören Kupfer, Kobalt und Lithium, die alle in großen Mengen in Afrika gefördert werden. Sie betont die Notwendigkeit, das internationale Finanzsystem zugunsten der ärmsten Länder zu refomieren und die „Ungleichheit des Wohlstands und der Entwicklung sowohl in als auch zwischen den Staaten“ anzugehen. Ungleichheit war eines der zentralen Gipfelthemen Südafrikas gewesen.
Künstliche Intelligenz als Cyber-Angriffstool
Ein gerade für Afrika immer wichtigeres Thema war der Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI). Auf einem vorbereitenden Treffen des Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrats der Afrikanischen Union war eine demokratische Kontrolle von KI-Systemen gefordert worden. Die G20-Gipfelerklärung bekräftigt die Forderung nach Inklusion und lobt Südafrikas Bemühen, während seines G20-Vorsitzes die globale Diskussion über dieses Thema voranzubringen.
Pünktlich zum Gipfel war eine Studie veröffentlicht worden, wonach Cyberangriffe in Afrika zunehmend KI-gesteuert seien: automatisierte Verfahren für Identitätsklau, Phishing und Hacking. Laut dem „African Perspectives on Cybersecurity Report 2025“ ist Äthiopien das am schwersten von Cyberangriffen betroffene Land, während Nigeria die größte Anzahl solcher Angriffe vermeldet, mit 4.200 pro Zielorganisation pro Woche – der weltweite Durchschnitt liegt bei unter 2000.
„KI ist nicht bloß eine weitere Technologie, es ist eine Infrastruktur der Macht, die unser Arbeiten, Lernen und Regieren prägt“, sagte Sanjay Puri, Präsident des zivilgesellschaftlichen Netzwerks Knowledge Networks. „Wahre Sicherheit entsteht, wenn AI-Systems inklusiv, transparent und kollektiv verwaltet werden. Afrika muss dabei mit am Tisch sitzen.“
Mitarbeit: Dominic Johnson
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