: G A S T K O M M E N T A R Justiztragödie
■ Blutrichtern die Pensionen kürzen
Die Einstellung der Ermittlungen gegen die Blutjuristen des Volksgerichtshofs, das ganze Nachkriegsverfahren in dieser Angelegenheit ist eine sehr traurige Justiztragödie. Ich habe bereits Ende der 60er Jahre die Berliner Staatsanwaltschaft aufgefordert, gegen die Blutrichter vorzugehen. Gebeten hatten mich Angehörige hingerichteter Priester, das Büro Adenauer wegen der hingerichteten Generäle des 20. Juli und Erich Maria Remarque, dessen Schwester wegen einer „dummen“ Bemerkung gegenüber einer Kundin in ihrem Modesalon in Leipzig hingerichtet worden war. Obwohl der damalige Generalstaatsanwalt in Berlin Günter sicherlich nicht nachlässig gegenüber diesen Blutrichtern sein wollte, hat sich bei den Strafverfolgungsbehörden - wenn man einmal vom Prozeß gegen Rehse, einen Beisitzer Freislers absieht - nichts gerührt. Man müsse, so die Staatsanwälte damals, den Richtern nachweisen, daß sie vorsätzlich eine Rechtsbeugung vorgenommen hätten. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn Freislers Volksgerichtshof war überhaupt kein Gericht. Schließlich hat Freisler sich sogar damit gerühmt, Wünschen und Befehlen des sogenannten Führers zu folgen. Alle Versuche, Verfahren einzuleiten wurden abgelehnt. Erst Justizsenator Meyer hat 1979 den damaligen Generalstaatsanwalt aufgefordert, die Verfahren wieder aufzurollen. Die Staatsanwaltschaft hat dann hunderte von Beweisstücken und Akten gesammelt, die schon vor 25 oder 30 Jahren hätten gesammelt und die auch schon vor 20 Jahren hätten verwertet werden müssen. Denjenigen, die bis vor 6 Jahren nichts getan haben, mache ich schwerste VorwÜrfe. Die höchste Instanz der Justiz ist ja bekanntlich in NS– Prozessen der Arzt. Es sind doch merkwürdig viele der noch lebenden Richter und Staatsanwälte nicht verhandlungsfähig. Das ist ein weiteres trauriges Kapitel. Eine Gruppe von Ärzten ist gerade dabei, die Atteste nachzuprüfen, festzustellen, ob sie tatsächlich der medizinischen Forschung standhalten. Jetzt müssen die Disziplinarbehörden reagieren. All diese Blutrichter bekommen noch staatliche Pensionen als Richter und soweit sie verstorben sind, ihre Witwen. Ich mache den Witwen keine Vorwürfe, weil sie Pensionen für ihren verstorbenen Mann beziehen. Ich wende mich dagegen, daß die Pensionen an ehemalige Blutrichter in voller Höhe bezahlt werden. Denn sie beziehen sie ja auch für die sogenannte richterliche Tätigkeit beim Volksgerichtshof. Die Staatsanwaltschaft Berlin müsste den Stellen, die die viel zu hohe Pension der Blutrichter zahlen, das Material zur Verfügung stellen, damit diese wesentlich gekürzt werden, denn die Zeit bei diesem Blutgericht war keine wirkliche Richterzeit. Es geht doch nicht, daß diese Justiztragödie noch von der heutigen Bundesrepublik bezahlt wird. Robert Kempner (stellvertretender amerikanischer Hauptankläger in den Nürnberger Prozessen 1947/48, bei denen deshalb nur ein einziger Richter verurteilt wurde, weil die Urteile des Volksgerichtshofs nicht zur Verfügung standen)
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