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G-8-Staaten gegen HungerMilliardenhilfe zur Selbsthilfe

Die G-8-Staaten versprechen 20 Milliarden Dollar Agrarhilfe, um die Folgen der Finanzkrise in Entwicklungsländern zu mildern. Dabei wurden die Versprechen vom Vor-Gipfel noch nicht erfüllt.

Organisierte zu guter Letzt auch noch ein milliardenschweres Hilfsprogramm für Entwicklungsländer: Obama in L'Aquila. Bild: reuters

Eine Geste des guten Willens hatten die G-8-Staaten zum Abschluss doch noch parat. Nachdem es drei Tage lang in Sachen Klimaschutz und Finanzmarktregulierung zu keinen konkreten Ergebnissen gekommen ist, einigten sich die Regierungschefs der sieben reichsten Industrieländer plus Russland an ihrem letzten Gipfeltag am Freitag im italienischen LAquila auf ein milliardenschweres Hilfsprogramm, das den Hunger vor allem in Afrika und Asien bekämpfen soll. Die G 8 traf mit ihren Kollegen aus Ägypten, Algerien, Nigeria, Senegal, Angola und Libyen zusammen.

Milliardenhilfe zur Selbsthilfe, lautet das Motto des auf drei Jahre angelegten Hilfsprogramms, das vor allem auf Initiative von US-Präsident Barack Obama zurückgeht. Demzufolge sollen die ärmsten Bauern dieser Welt insgesamt 20 Milliarden US-Dollar erhalten. Dieses Geld soll vor allem in die landwirtschaftliche Produktion investiert werden, um so die Nahrungsversorgung auch langfristig zu sichern.

Bisher bestand die Entwicklungshilfe der G-8-Staaten vor allem daraus, überschüssige Nahrungsmittel aus den reichen Ländern zu Dumpingpreisen in die Hungergebiete zu liefern. Viele heimische Märkte gingen dabei kaputt. Diplomatenkreisen zufolge wollen die USA rund 3,5 Milliarden Dollar bereitstellen. Japan stellte zwischen 3 und 4 Milliarden Dollar in Aussicht, Frankreich rund 2 Milliarden Dollar. Auch die Schwellenländer wollen sich beteiligen.

Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete es als einen Erfolg, dass es zu dieser Einigung gekommen ist. Deutschland folge bereits seit langem dem Grundsatz "Hilfe zur Selbsthilfe". Mit der neuen US-Regierung seien jetzt tiefere Kooperationen möglich. Merkel versicherte, dass die Industrieländer trotz der Krise die Entwicklungshilfe nicht kürzen würden. Die G 8 stünden zu ihren Verpflichtungen.

Besonders die Länder in Afrika leiden derzeit stark unter der Wirtschaftskrise, zumal sie anders als die Industrieländer keine Konjunkturpakete zur Ankurbelung der Wirtschaft auflegen können. Hinzu kommt, dass vor allem im vergangenen Jahr die Nahrungsmittelpreise in die Höhe geschnellt sind, weil Börsianer mit Getreide spekulierten. In zahlreichen Ländern ist es zu Hungeraufständen gekommen.

Nicht zuletzt deshalb bezeichnete der stellvertretende Generalsekretär der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), Alexander Müller, das Hilfsprogramm als eine "dringend notwendige Veränderung in der Entwicklungspolitik". "Man kann die Leute nicht dauerhaft von Nahrungsmittellieferungen abhängig machen, aber nicht in die Landwirtschaft investieren", sagte Müller, der unter der rot-grünen Bundesregierung Staatssekretär im Landwirtschafts- und Verbraucherministerium war. "Für diesen Politikwechsel haben wir lange gekämpft."

Auch Hilfsorganisationen begrüßten die Initiative als "Schritt in die richtige Richtung". Unklar ist jedoch, ob der Betrag zusätzliches Geld ist oder aus bestehenden Töpfen stammt, die beim G-8-Gipfel 2005 in Gleneagles bereits versprochen waren, sagte Jörg Kaminsky von der Hilfsorganisation Oxfam. Die britische Hilfsorganisation Actionaid geht ersten Berechnungen zufolge von tatsächlich rund 10 Milliarden Dollar zusätzlicher Hilfe aus. Kaminsky forderte, dass angesichts des dramatischen Ausmaßes der Hungerkrise mindestens 25 Milliarden Dollar im Jahr zusätzlich nötig seien.

Die G-8-Staaten hatten sich bereits beim G-8-Gipfel in Gleneagles verpflichtet, ihre Entwicklungshilfe bis 2010 um 50 Milliarden Dollar zu erhöhen, wovon 25 Milliarden Dollar auf Afrika entfallen sollten. Schätzungen zufolge haben sie aber nicht mal ein Drittel ihres Versprechens eingelöst.

Nach Angaben der UN ist die Zahl der weltweit hungernden Menschen wegen der Wirtschaftskrise allein 2008 um 100 Millionen Dollar auf mehr als eine Milliarde gewachsen. Oxfam-Sprecher Kaminsky wies daraufhin, dass die Entwicklungsländer derzeit besonderer Hilfe bedürfen - auch aus einer moralischen Verpflichtung heraus. Es sei wie beim Klima, sagte Kaminsky. Die Entwicklungsländer hätten am wenigsten dazu beigetragen, würden aber am meisten darunter leiden.

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7 Kommentare

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  • T
    Thomas.Sankara.in.memoriam

    Wie unte Bernhard H. Johannes Wagner sagte, diese Leute sind größtenteils scheinheilig oder unwissend, bzw. beides.

     

    Gut ist, dass der Artikel daran erinnert, dass alte Versprechungen noch nicht eingelöst sind, und schon werden wieder neue gemacht.

     

    Richtig zu bemerken, bei dieser Haltung der scheinheiligen "Charity" sind auch die Punkte die navajo joe erwähnt.

     

    Was die Superreichen, die ihren Reichtum ja letztlich von der Arbeit anderer haben, das gilt für arabische Milliardäre freilich genauso wie für texanische oder deutsche u.s.w. - unterstützen sollten wären bereits existierende, gute Initiativen vgl. z. B. http://www.tiloo.ch und http://www.greenbeltmovement.org und viele andere, wie sie z. B. NGO.s wie Oxfam - vgl. http://www.oxfam.de - schon unterstützen, auch die Nelson Mandela Foundations , auch Greenpeace in Afrika und Friends of the Earth u.s.w.

  • NJ
    navajo joe

    Bei dem Gerede von Hilfe zur Selbsthilfe wird der Schaden vergessen, den Erdteile wie Europa (bzw. dortige Industrien u.s.w.) anderswo anrichten, z.B. Raubbau von Rohstoffen (wofür Minenarbeiter, LandarbeiterInnen etc. oft für Hungerlöhne und miserablen sonstigen Bedingungen arbeiten), auch Zerstörung von Wäldern u.s.w. Und Abertausende Hektar Land werden z.B. für Futtermittelanbau verwendet, die dann von dort nach Europa exportiert werden, für den hiesigen riesigen Fleisch (und Wurst etc.) -Konsum, während in Ländern wie etwa Brasilien gleichzeitig Abertausende Menschen an Mangelernährung leiden und oft auch sterben.

    Und 1 Hektar Land kann z.B. mit Kartoffeln weit mehr als 10 Menschen ausreichend mit Protein versorgen, aber wenn er für Futtermittel für Rinder verwendet wird, weniger als 3, bzgl. Schweinen sogar weniger als 2 (Durchschnittwerte natürlich, wurde 'mal errechnet von der FAO).

     

    Nicht zuletzt die Plünderung der Fischgründe durch große industrielle Trawler zu beenden, etwa vor afrikanischen Küsten, die dann die dortigen Fischereifamilien in die Armut stürzt, wäre auch eine große 'Hilfe',

     

    Und schließlich, dafür zu sorgen, dass Importwaren weniger unter Verstößen von ILO Normen hergestellt werden, bzw. wenn sie es sind, das zu sanktionieren. Das wäre dann durch mittelfristige Wirkungen auch eine große 'Hilfe'.

  • NJ
    navajo joe

    @ Bernie:

    Ich glaube, die meisten, die Frau Merkel da applaudieren, sind v.a. unwissend, teilweise aber auch scheinheilig.

     

    @ asd:

    Du schreibst ein bisschen am Artikel vorbei.

     

    @ Wolfgang Schramm:

    Du schreibst ein bisschen an der Welt vorbei.

  • A
    asd

    *** an die redaktion : wirklich grottenschlecht***

    dieser artikel strotzt ja wor fehlern!!

     

    erstens besteht sogenannte "aufbauhilfe" schon immer darin CREDITE (mit verbundenen zinsforderungen) an arme länder zu vergeben!

     

    das ein grossteil dieser kredite im korupten sumpf verschwindet ist auch schon immer so... das die andere hälfte erst garnicht ausgezahl wird auch.

    bevor man hier gross das maul auf macht, sollte man vielleicht erstmal seine noch ausstehenden versprechen einhalten!

     

    WIR SIND VERANTWORTLICH FÜR DAS HUNGERN DIESER MENSCHEN!!

  • BH
    Bernhard H. Johannes Wagner

    ... Deutschland folge bereits seit langem dem Grundsatz "Hilfe zur Selbsthilfe" ...

     

    Deutschland ? Na, das ist entweder ein bisschen scheinheilig oder ein bisschen unwissend. Das Bundesministerium für "Wirtschaftliche Zusammenarbeit" und einige NGO.s können sich in ihren Bemühungen zwar wirklich sehen lassen, aber sie sind leider keinesfalls die Regel, sondern eher die Ausnahme in einem sonst von Übervorteilung, Raubbau und dergleichen geprägten globalen Situation, von der auch Deutschland profitiert (wenn auch zu verschiedenen Teilen, einige mehr als andere). Die im Artikel erwähnten subventionierten Agrarexporte aus den Industriestaaten, die anderswo zwar kurzfristig zu helfen scheinen (v.a. in den Städten billigere Nahrung u Kleidung), langfristig aber gerade die Produktion in Afrika etc. ruinieren, v.a. auf dem Land, weil diese langfristig oft nicht mit den subventionierten Billigwaren aus Europa konkurrieren kann. Bis heute wissen das sehr viele Deutsche immer noch nicht.

     

    B. Obama hat gleichwohl eine wichtige und richtige Initiative angestoßen, auch wenn sie viele Ursachen der Armut nicht wird beseitigen können.

  • WS
    Wolfgang Schramm

    Einem Hungernden geben ich doch keinen Fisch zum Essen

     

     

     

     

     

     

     

    Ich bring ihm das Angeln bei. So ein Pfarrer aus der Schweiz, sein Name fällt mir jetzt leider nicht ein ,doch hat er die Frage der Entwicklungspolitik schon vor Jahrzehnten auf den Punkt gebracht. Ich gebe meinem Vorredner in vollem Umfang recht ,wie soll das funktionieren was da bei dem G8 Gipfel beschlossen wurde? Erstens kommt dieser Strategie und Politikwechsel Jahrzehnte zu spät und dann hat niemand gesagt wie das gehen soll. Die Staatsführungen der Staaten werden zwar versprechen, daß die Unterstützung bei den Kleinbauern und Selbstversorgern ankommt aber das Geld dann doch wieder in ihre eigene Tasche lenken. Ich hab erheblich Zweifel das es wirklich eine Hilfe sein kann, es sein denn internationale Hilfsorganisationen kümmern sich drum. Und dann wird die Bürokratie dieser Organisationen den erheblicheren Teil des Geldes abgreifen.

    Also ich bin da sehr skeptisch. Viellleicht hat hier ja jemand eine Idee, wie das zum Nutzen der kleinen Bauern in Afrika und Lateinamerika und Asien umgesetzt werden kann.

  • S
    SKLAVE

    Hilfe zur Selbsthilfe würde für mich bedeuten die versprochenen Gelder den notleidenden und landlosen Kleinbauern (zweckgebunden!!) persönlich zu überreichen. Wie soll das funktionieren?

    Ansonsten können die Milliarden auch gleich auf die Schweizer Privatkonten der entsprechenden Regierungschefs und ihrer Clanmitglieder überwiesen werden.

    Aber wie so oft wird es ohnehin bloß bei Absichtserklärungen bleiben.

    Merkellinchen tut schon wieder so als seien alle positiven Absichtserklärungen nur auf ihr unermüdliches schaffen zurückzuführen. Das bringt wieder reichlich Stimmen. Allein für ihr aufopferungsvolles FDJ Angagement hätte sie doch längst den Orden "HELDIN der Arbeit" in Gold am Bande und natürlich mit Brillianten verdient.

    Aber der wird wohl erst nach den Wahlen eingeführt. Jetzt ist erst mal die Bundeswehr dran.