Fußball: Kiez in Wallung
Der FC St. Pauli knüpft im DFB-Pokalspiel gegen Bayer Leverkusen an die Tradition recht beachtlicher Favoritenstürze an
HAMBURG taz Auch die Sommerpause konnte die Feierlaune am Millerntor nicht brechen. Gut zwei Monate, nachdem sich die Kicker des FC St. Pauli mit einem rauschenden Aufstiegsfest von ihren Anhängern verabschiedet hatten, landeten sie beim ersten Auftritt der neuen Saison prompt wieder in der Erfolgsspur. Mit einem verdienten 1:0-Erfolg warf der Zweitligaaufsteiger am Samstag vor 15.000 Zuschauern Bayer Leverkusen aus dem DFB-Pokal und sorgte damit für eine der großen Überraschungen der ersten Hauptrunde.
Dabei mussten die Kicker vom Hamburger Kiez zum Saisonauftakt nicht einmal - wie bei den Pokalerfolgen gegen Herta BSC und Werder Bremen vor anderthalb Jahren - über sich hinauswachsen, um den pomadig auftretenden Leverkusenern ihre Grenzen aufzuzeigen. Sie mussten ihr vorhandenes Potenzial nur abrufen. In der ersten Halbzeit beschränkten sich die "Boys in Brown" darauf, den Gegner mit aggressivem Forechecking die Lust am Spiel zu nehmen.
Nur wenn die Leverkusener über die rechte Seite, meist über Kießling marschierten, wurde es vor dem Tor der Hamburger gefährlich. Doch der finale Pass fand meist keinen Abnehmer, die neue Leverkusener Sturmhoffnung Theofanis Gekas war bei den Innenverteidigern des Gastgebers total abgemeldet. Die größte Chance der ersten Spielhälfte besaß so der Hamburger Charles Takyi, der gleich zwei Leverkusener austanzte, dann aber aus spitzem Winkel zu wenig Druck hinter seinen Schuss brachte.
Die Nullnummer zur Pause war Holger Stanislawski, dem Teammanager der Hamburger, zu wenig. "Wenn ihr nicht mutiger nach vorne spielt", beschwor er, Verfechter des unbedingten Offensivspiels, seine Mannschaft in der Kabine, "ist das Abenteuer Pokal für euch in 45 Minuten zu Ende." Nachdem zunächst aber die Leverkusener am Drücker waren und Kießling mit einem zu unplatzierten Kopfball aus vier Metern die bis dahin größte Chance des Spiels vergab, bekamen die Paulianer nach einer Stunde die Partie in den Griff. Die Belohnung: Drei Minuten vor Spielschluss verirrte sich der Ball im Leverkusener Strafraum zum Defensivmann Fabian Boll, der aus acht Metern keine Probleme hatte, den umjubelten Siegtreffer zu erzielen.
Für Stanislawski ist der neuerliche Pokalerfolg nur "das Ergebnis harter, konsequenter Teamarbeit". Über drei Jahre hat der Teammanager, der gleichzeitig als Sportchef des Vereins fungiert, trotz begrenztem Etat ein ausgeglichen besetztes, kampfstarkes und zunehmend auch technisch versiertes Team geformt, das nicht vom Glanz einzelner Stars, sondern von der mannschaftlichen Geschlossenheit lebt. Auch das Fehlen von gleich vier Stammspielern konnte so gegen Leverkusen problemfrei kompensiert werden. Besonderen Wert legt Stanislawski dabei auf die für den von ihm propagierten "Power-Fußball über 90 Minuten" notwendige körperliche Fitness. Dafür engagierte der Macher des Kiezklubs eigens den Konditionscoach Pedro Gonzales, der dafür sorgte, dass die Hamburger schon in der Rückrunde der vergangenen Saison meist erst richtig aufdrehten, wenn die Kräfte des Gegners schon erlahmten. Für Stanislawski war der Pokalerfolg, der dem Club nun auch einen erneuten Geldsegen beschert, nur "das letzte Testspiel" vor dem Zweitligaauftakt.
Aufgrund der Unerfahrenheit vieler Spieler und dem Mini-Etat gilt das von Exbundesligaprofi Thomas Meggle geführte Team bei vielen Experten als heißer Abstiegskandidat. Stanislawski, dem die Deutsche Fußball-Liga aufgrund einer fehlenden Trainerlizenz gerade erst untersagte, weiter als Coach des Vereins zu arbeiten, ist vor der neuen Saison nicht bange. Und auch sein ehemaliger Assistent André Trulsen, der nun ganz offiziell das Traineramt bekleidet, freut sich "einfach nur auf die erneute Standortbestimmung gegen den Ligafavoriten 1. FC Köln" am kommenden Freitag.
Am Sonntag darauf wird der Kiezklub dann wissen, mit wem er sich in der zweiten Pokalrunde messen kann. Nachdem in den vergangenen zwei Jahren erst Burghausen, dann Bochum, Berlin und Bremen und nun Bayer ausgeschaltet werden konnte, hofft man am Millerntor nun vor allem auf eins: Ein weiteres "B".
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