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Fußball als Konkursmasse

In einer Dringlichkeitssitzung beriet der Weltfußballverband Fifa gestern über die Folgen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs seines Vermarkters ISL, der auch andere Sportarten erschüttert

von MATTI LIESKE

Der kaum noch abzuwendende Untergang der Schweizer Vermarktungsgruppe ISMM/ISL hätte zu keiner passenderen Zeit kommen können. Juan Antonio Samaranchs Ära als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) läuft im Juli endgültig ab, eigentlich nur logisch, dass mit ihm auch das Unternehmen abtritt, dessen Aufstieg zum weltweit bedeutendsten Sportvermarkter eng mit der Regentschaft des spanischen Exfaschisten und des Fifa-Präsidenten João Havelange verbunden war. 1982 von Adidas-Chef Horst Dassler, damals der große Strippenzieher im Weltsport, gegründet, hatte sich die ISL dank der treuen Unterstützung der beiden wichtigsten Sportführer die lukrativsten Bereiche des sportiven Business unter den Nagel reißen können: die Vermarktung von Fußball-Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.

Mit dem plötzlichen Tod Dasslers im Jahre 1987 begann jedoch ein schleichender Niedergang. Fähige Spitzenkräfte wechselten zur Konkurrenz, bizarre Geschäftsideen brachen sich Bahn. Doch während das IOC klug genug war, sich 1996 von der ISL zu trennen und die Olympiavermarktung selbst in die Hand zu nehmen, setzten Havelange und sein Adlatus Joseph Blatter, seit 1998 Fifa-Präsident, weiter in unverbrüchlicher Treue auf das Unternehmen aus dem schweizerischen Zug mit seiner von den Dassler-Erben getragenen Mutter-Holding ISMM. Dafür muss die Fifa jetzt möglicherweise teuer bezahlen. Gestern trafen sich in Zürich die Spitzen des Weltverbandes und berieten, wie man sich aus dem Strudel des ISL-Untergangs retten könnte.

Vor einer Woche hatte ein Konkursrichter im Kanton Zug einen von der ISMM beantragten Aufschub abgewiesen. Dass ein weiterer Versuch mehr Erfolg hat, ist unwahrscheinlich. Im Zentrum des Interesses stehen die Fußballrechte für die Weltmeisterschaften 2002 und 2006, welche die ISL 1997 von der Fifa für insgesamt 2,8 Milliarden Mark erworben hatte. Lediglich die europäischen Fernsehrechte liegen bei der Kirch-Gruppe, die dafür 1,4 Milliarden Mark zahlt. Sollten die Fußballrechte bei Konkurs an die Fifa zurückfallen, stände diese vor dem Problem, zumindest die für das Turnier in Japan und Südkorea 2002 in relativ kurzer Zeit wieder loswerden zu müssen oder sie selbst zu vermarkten. Die zahlreichen Gläubiger der ISL hingegen würden die gewinnträchtigen Fußballrechte gern als Bestandteil der Konkursmasse sehen, womit die Fifa – Gerüchten zufolge selbst in finanziellen Nöten – vollends der Gelackmeierte wäre.

Doppelt gemoppelt

Kurioserweise hat der Fußballverband selbst zum Schlamassel beigetragen – und das gleich doppelt. Nachdem die Fifa die europäischen TV-Rechte der Fußball-Weltmeisterschaften bis 1998 frühzeitig für einen Spottpreis an die European Broadcastin Union (EBU) vergeben hatte, wollte sie danach mächtig abkassieren. Im Handstreich vergab Havelange die Vermarktungsrechte für 2002 und 2006 an die ISL, andere Bewerber beklagten einen Verstoß gegen Wettbewerbsrechte, da ihre Angebote überhaupt nicht beachtet worden seien. Später bekamen Blatter und Kollegen dann im ungünstigsten Moment doch noch kalte Füße. Im Herbst 2000 stiegen sie aus gemeinsamen Finanzprojekten mit der ISMM/ISL aus, was das Unternehmen endgültig in die Bredouille stürzte.

Zuvor hatten sich die Vermarkter vor allem durch übermäßige Gier in Schwierigkeiten gebracht. Die ISL kaufte, was zu kaufen war, und lustigerweise war es kein anderer als Boris Becker, der einen kräftigen Nagel in den Sarg der Agentur schlug. Sein Bestreben, 1998 gemeinsam mit Formel-1-Zar Bernie Ecclestone die Tennistour unter seine Fittiche zu bekommen, trieb die ISL zu dem Wahnsinnsdeal mit der Tennisorganisation ATP, der ihr wohl schließlich finanziell das Genick brach. Es waren neun sehr vergnügte Turnierdirektoren, allen voran ein strahlender Ion Tiriac, und ein überaus vergnügter ATP-Chef Mark Miles, die bei der Tennis-WM 1998 in Hannover die Partnerschaft verkündeten. Unerklärlicherweise strahlte auch ISL-Direktor Daniel Beauvois. Nur 75 Millionen Dollar für drei Jahre hatte die ISL der darbenden ATP zunächst geboten, nach dem Becker-Vorstoß zahlte sie wahnwitzige 1,2 Milliarden Dollar für einen Zehnjahresvertrag über die neun wichtigsten Tennisturniere außerhalb der vier Grand-Slams und die ATP-WM. Allein im Jahr 2000 brachte der Tennis-Deal rund 100 Millionen Mark Verlust, insgesamt musste die ISMM für diesen Zeitraum einen Verlust von 670 Millionen Schweizer Franken ausweisen. Eine Summe, zu der Fehlinvestitionen wie die in die US-Cartserie (20 Millionen Dollar jährlich) oder den südamerikanischen Fußball (rund 130 Millionen Franken allein für die Marketingrechte an den Klubs Gremio Porto Alegre und Flamengo Rio de Janeiro) beitrugen.

Goldene Eier im Nest

Zittern müssen neben der Fifa auch andere wichtige Sportverbände. Für die Uefa vermarktete die ISL die Fußball-EM in Portugal 2004, im Basketball Weltmeisterschaften und europäische Suproleague, im Schwimmen die Weltmeisterschaften bis 2007, und auch für den Leichtathletik-Weltverband IAAF war die Agentur aktiv. „Wir waren vorsichtig und klug genug, nicht alle Eier in einen Korb zu legen“, behauptet IAAF-Generalsekretär Istvan Gyulai. Die goldenen Eier aber schon: Im ISL-Nest prangen einträchtig die Weltmeisterschaften bis 2009, die Golden-League-Serie mit dem Berliner Istaf und der Grand Prix.

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