Fussball-Winterpause: Lukratives Schwitzen statt Kältetraining

Während Clubs wie Werder Bremen oder Bayern München am persischen Golf trainieren, müssen die zuhause gebliebenen Vereine sich an die verkürzte Winterpause anpassen.

Findet in erster Linie aus kommerziellen Gründen statt: Das Winter-Trainingslager am persischen Golf. Bild: reuters

BREMEN taz | "Es ist alles perfekt." Thomas Schaaf, der grün-weiße Vordenker, dessen Hang zur Perfektion intern geschätzt und gefürchtet wird, ist begeistert über die Bedingungen, die Werder Bremen derzeit am Persischen Golf vorfindet. Genau wie der Branchenführer Bayern München ist der Pokalsieger zwecks Trainingslager in Dubai abgestiegen, um sich auf die alsbald beginnende Rückrunde vorzubereiten. Im Wüstenstaat herrschen nicht nur sommerliche Witterungsbedingungen, sondern auch andere Sitten und Bräuche.

Jeder Wunsch wird den Gästen in ihren luxuriösen Herbergen von den Lippen abgelesen. Wenn - wie kürzlich bei den Bremern - der Fahrer den Bus irgendwo verkeilt hat, wird Schaafs Entourage eben in Luxuslimousinen zum Trainingsplatz kutschiert; wenn ein bisschen Dreck auf dem Rasen liegt, wird dieser mit Staubsaugern entfernt. Und wenn ein Bundesligist den deutsch-arabischen Supercup gewinnt (Werder gegen Al Ain), dann gibt es dafür nicht nur einen riesigen Pokal, sondern auch noch eine orientalische Folklore-Nacht mitsamt Tanzeinlage des Gegners - Schaaf und Klaus Allofs machten es sich dafür neben den Scheichs auf einem vergoldeten Sofa bequem.

So schön und gut die Gegebenheiten im fernen Osten für die beiden am Wochenende in die Heimat zurückkehrenden Bundesliga-Schwergewichte auch sind, ergibt solch ein Aufenthalt wirklich einen Sinn, wenn nur fünf, sechs Tage später bei einem Temperaturunterschied von 30, 35 Grad gespielt werden muss? "So etwas ist kein trainingsphysiologisches Schnäppchen", sagt der Fitnessexperte Oliver Schmidtlein, "sondern findet wohl eher aus kommerziellen Gründen statt."

Der 44-jährige Physiotherapeut, lange in Diensten des DFB und FC Bayern und nun selbstständig mit eigener Praxis in München, ist skeptisch, was ein Trainingslager in einer anderen Klimazone angeht, glaubt aber, dass die arg geschrumpfte Winterpause Chance wie Risiko bedeutet. "Wer in den freien Tagen seine Vorgaben befolgt hat, um die Grundlagenausdauer zu erhalten, sollte keine Schwierigkeiten bekommen", so Schmidtlein. "Ist die Pause länger, besteht immer die Gefahr, dass die Trainingsunterschiede innerhalb eines 25-köpfigen Kaders größer werden."

Problematisch sei die neue Situation für Südamerikaner, die partout noch einen Heimflug einlegten. Dass der kolumbianische Torwart Faryd Mondragon (Köln) oder der brasilianische Stürmer Grafite (Wolfsburg) die Feiertage in Deutschland verbrachten, sei nur vernünftig gewesen.

Doch wie sieht eine optimale Trainingssteuerung aus, damit der hoch bezahlte Kader schnell wieder auf Hochtouren kommt? Köln, Hannover oder Freiburg legten gleich nach Weihnachten wieder los, Bayern oder Werder bewusst erst mit der Abreise ins Winterquartier, um angesichts der bevorstehenden Terminhatz auch eine mentale Erholung zu gewähren. Freiburgs Trainer Robin Dutt (Trainingsstart 27. Dezember) entschied sich dagegen: "Länger freizugeben, wäre unprofessionell gewesen." Dafür sei die Sommerpause ja unendlich lang: Der gemeine Erstligist, dessen Spieler mit dem DFB-Pokalfinale (15. Mai), dem Champions-League-Endspiel (22. Mai) und der WM-Endrunde (11. Juni bis 11. Juli) nichts zu tun haben, bestreitet zwischen dem letzten Spieltag am 8. Mai bis zum Start der neuen Saison am 20. August kein Bundesliga-Spiel. Mehr als ein Vierteljahr zur vor allem für die Zuschauer besten Fußballzeit rollt der Ball in der Liga nicht.

"Die Klubs betreten mit den neuen Terminen und der kurzen Pause Neuland und suchen noch nach der besten Lösung", findet Holger Broich, diplomierter Sportwisssenschaftler und Leistungsdiagnostiker von Bayer Leverkusen. Dessen Profis mussten programmierte Pulsuhren in den Urlaub mitnehmen - damit wurde akribisch das auferlegte "Erhaltungstraining" überwacht. Broich ist zufrieden mit den Ergebnissen, "im Grundlagenbereich müssen wir nicht mehr arbeiten". Der Herbstmeister ist genau wie Bochum, Hannover oder Hoffenheim übrigens nicht der hiesigen arktischen Kälte entflohen und trainiert vor Ort. Man gewöhnt sich an von Rasenheizungen unzureichend aufgetauten Boden, trägt Mütze und Handschuhe beim täglichen Üben. Und ist dann besser gewappnet, wenn die Bundesliga am 15., 16. und 17. Januar auf die mit großer Wahrscheinlichkeit vereiste Bühne bittet?

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