Fußball Regionalliga: Flutlicht gibts nur nebenan
Wenn der VfB Lübeck beim ETSV Weiche-Flensburg gewinnt, erzählt das wenig über beider Zukunft: Die traditionsreichen Gäste stehen vor der Pleite, ihre Gegner haben Geld - und reichlich Ambitionen.
FLENSBURG taz | „Nacken“, in ein Brötchen geklemmt, drei Euro. Der Nacken des Sicherheitsmanns vor dem Zaun ist in eine schwarze Jacke geklemmt. Er und seine Kollegen sehen gefährlicher aus als die Fans des VfB Lübeck, die hierher gekommen sind, zum ETSV Weiche-Flensburg. Nach 90 feuchtkalten Minuten hat Lübeck gewonnen, 1:0. Ein Spiel, bei dem das Ergebnis wenig darüber sagt, wohin der Weg des einen Clubs führt und wohin der des anderen.
Flensburg, finanziert vom Beton- und Silosanierer Harald Uhr, ist auf dem Weg nach oben – ohne Tradition und Infrastruktur. Der VfB Lübeck dagegen wird geführt vom Hamburger Konkursverwalter Stefan Denkhaus: Der Traditionsverein hat – zum zweiten Mal nach April 2008 – einen Insolvenzantrag gestellt. „Wir haben viel mit den Spielern über die Situation geredet“, sagt VfB-Trainer Ramazan Yildirim. Ihr Geld bekommen die Spieler vom Arbeitsamt.
Auf die Manfred-Werner-Anlage im Flensburger Stadtteil Weiche dürfen 1.500 Zuschauer. Ein Stadion ist es nicht, so ohne Tribüne, eher eine Bezirkssportanlage, für die VIPs gibt’s bald einen Container. Die dünnen Flutlichtmasten erhellen Platz B, Regionalliga wird auf Platz A gespielt. Die maximale Zuschauerzahl errechnet die Stadt über die Parkplatz-Kapazität, erklärt Karl Carstensen, Geschäftsführer der Liga GmbH. Noch für dieses Jahr ist „eine Anzeigentafel geplant und über eine Flutlichtanlage reden wir mit der Stadt“, sagt er. Die Stadt muss zustimmen, auch wenn der ETSV zahlt. Hier oben ist es im Winter um vier dunkel, oder schon um drei, oder es wird gar nicht hell.
Die Spieler laufen zwischen den Fans hindurch, aus dem „Sportheim“ auf den Platz. Da kann man mal was loswerden: „Mach hin, Tim!“, das gilt Tim Wulff, der mit Matthias Hummel bei Holstein Kiel Dritte Liga gespielt hat. Trainer des ETSV ist Daniel Jurgeleit, knapp 400 Zweitligaspiele, ein paar für Lübeck. Es gibt keine Balljungen, der Fanclub – zwölf Jungs, eine Frau, eine Trommel – ist neu, der Club selbst besteht seit 1972 und ist eine Fusion des TSV Weiche-West mit dem Eisenbahner-Handballclub ESV Weiche.
Pausenloses Brüllen
680 stumme Flensburger erleben das Spiel gegen Lübeck und 80 pausenlos brüllende Lübecker, die kämpfen, wie man es nur für eine verlorene Sache tut. Dass es ein grottiges Spiel ist, überrascht bei den Lübeckern nicht: Sie wissen ja nicht, ob der VfB nicht doch zwangsabsteigt in die Schleswig-Holstein-Liga.
Der ETSV sitzt nach 14 Spielen mit 19 Punkten im Mittelfeld der Tabelle. „Rechnet man Lübeck raus“, sagt Trainer Jurgeleit, „sind wir Sechster.“ Yildirim findet den VfB-Sieg „verdient“, Jurgeleit nicht: „Wo haben die denn hingeschossen?“, fragt er, macht eine Pause, und sagt: „Aber wir auch.“
Tatsächlich flog der Ball fast bis hinüber zur Bahnlinie, die man noch braucht, weil sie einen von hier weg bringt. Der Treffer fällt, als Marcus Steinwarth einen Freistoß nach innen schnippt, es ein Gewurstel gibt, der Ball bei Nedim Hasanbegović landet, der ihn ins Tor schubst (65.). Dann wird die Partie besser – schlechter ging aber auch nicht.
Gegen 17 Uhr warten VfB-Fans auf dem Bahnsteig von Weiche auf den Zug nach Hause. Sie verteilen sich auf die zwei Wartehäuschen, gegen den Sprühregen, die Polizei versucht sie zusammenzubringen, um sie dann in wenige Abteile zu stopfen. Ein Polizist fragt die Gruppe im zweiten Häuschen: „Wollen Sie zurück nach Lübeck?“ Einer sagt: „Von wollen kann keine Rede sein“, und dann leise: „VfB-Fan will ich auch nicht sein.“
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