Fußball-Nachwuchs: Kaderschmieden unter sich
Vor dem letzten Spieltag liefern sich in der Regionalliga Nord die zweiten Mannschaften von Werder Bremen und VfL Wolfsburg ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Aufstieg.
HAMBURG taz | Die Fußball-Bundesliga macht Pause. Die WM im fernen Brasilien lässt noch auf sich warten. Also könnte man in der Zwischenzeit miterleben, wie in der Fußball-Regionalliga Nord zwei Klubs bis zum letzten Spiel um den Titel ringen.
Dem VfL Wolfsburg fehlt nach seinem 1:0-Erfolg bei Hannover 96 am letzten Spieltag noch ein Sieg gegen die Reserve des Hamburger SV. Verfolger Werder Bremen muss nach dem eigenen 3:1 beim Goslarer SC auf einen Ausrutscher der Niedersachsen hoffen – und gleichzeitig Norderstedt schlagen (beide Samstag 14 Uhr). Das Fernduell, mit dem angesichts der Wolfsburger Stärke kaum zu rechnen war, rückt die Liga weiter in den Fokus.
Fußball-Puristen treibt seit Langem die Frage um, wie sinnvoll eigentlich eine Regionalliga in der bisherigen Form ist. Vereine wie der TSV Havelse und der Goslarer SC versuchen mit Hilfe von viel Herzblut oder Geld, sich ihren Weg nach oben zu bahnen. Dass sie sich dabei von sogenannten Reserveteams wie VfL Wolfsburg II oder Werder Bremen II regelmäßig gestört fühlen, liegt vor allem an der großen Chancenungleichheit.
Wenn es klassische Vereine mit ihren A-Mannschaften mit den B-Vertretungen großer Profiklubs zu tun bekommen, lässt sich durchaus von einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung sprechen. Vor allem in Wolfsburg kommt es angesichts des großen Profikaders immer wieder vor, dass hoch bezahlte Bundesligastars drei Ligen weiter abwärts Spielpraxis sammeln sollen oder gar: müssen. Bestes Beispiel: Patrick Helmes, der mittlerweile mit dem 1. FC Köln in die 1. Bundesliga aufgestiegen, hat schon so manche Partie in der Wolfsburger Regionalliga-Mannschaft absolviert – weil er strafversetzt worden war oder weil er sein lädiertes Knie wieder an ernsthafte Belastungen gewöhnt werden sollte.
In Wolfsburg gehört die vom früheren Werder- und Hannover-96-Spieler Valérien Ismaël trainierte U 23-Mannschaft zu einem Gesamtkonstrukt, das sehr zielstrebig verfolgt wird. Ob Amateur-, Frauen- oder Juniorenfußball: Die Entscheider des VfL haben dank der großzügigen Unterstützung des Volkswagen-Konzerns paradiesische Rahmenbedingungen für alle Varianten des Kickens geschaffen. Ihrem modernen Leistungszentrum, das in Kürze auch noch durch ein weiteres modernes Stadion am Allerpark ergänzt wird, sind zuletzt tatsächlich zwei Spieler entsprungen, die es in die Bundesliga geschafft haben: Maximilian Arnold und Robin Knoche gelten als Musterbeispiele dafür, warum sich wohlhabende Klubs nicht nur einen guten Unterbau leisten müssen, sondern auch gönnen sollten.
„Wir haben eine gute Mischung aus eigenen Leuten und guten Externen“, findet VW-Vorstandschef Martin Winterkorn. Er freut sich wirklich darüber, dass es Eigengewächse bis in die Bundesliga-Elf des VfL schaffen. Der Boss des Hauptsponsors könnte anordnen, dass für noch mehr Erfolg in Liga 1 noch mehr Externe angeheuert werden. Will er aber gar nicht mehr. Denn Aufsteiger wie Arnold und Knoche sind Identifikationsfiguren, mit denen die gesamte Region Wolfsburg fiebert.
Der Wille von Werder Bremen, sich ebenfalls ein eigenes Sportinternat und eine ambitionierte U 23-Mannschaft zu leisten, ist von einer etwas anderen Philosophie getrieben. Schon bevor sich Profiklubs dazu verpflichten mussten, Geld und Zeit in den eigenen Nachwuchs zu stecken, war man bei Werder um die Junioren- und Reserveteams sehr bemüht. Mit jedem Talent, das den Sprung in den Profikader auch nur annährend geschafft hat, war nämlich ein teures Transfergeschäft vermieden.
Aaron Hunt, um dessen Verbleib der Verein gerade kämpft, ist ein wunderbares Beispiel für einen solchen Weg. Juniorenspieler, Amateurkicker, Bundesligaprofi: Sein Weg an der Weser war lang und steinig, aber sehr lohnend. Geschichten wie diese sowie die von Arnold und Knoche sind die besten Plädoyers dafür, mit der Regionalliga Nord zu fiebern.
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