Fußball-Hooligans: "Die Polizei setzt leider auf Repression"

Die Szene habe sich intern deutlich von den Sachbeschädigungen im Olympiastadion distanziert, sagt Fanbetreuer Ralf Busch. Offen erklären wollte das aber niemand: Der Druck von außen sei zu groß

Welcher echte Fan hat denn solche Stangen dabei? Bild: ap

taz: Herr Busch, am Freitag wurde vom organisierten Fußball ein Maßnahmekatalog vorgestellt, wie künftig gegen die vermehrte Gewalt rund um die Stadien vorgegangen werden soll. Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden?

Ralf Busch: Ja, weil man weiterhin auf den Dialog mit den Fußballfans setzt. Angesichts der vermehrten Vorfälle in den letzten Monaten haben wir Fanprojektvertreter schon befürchtet, dass ein Druck entsteht, künftig mit mehr Repressionen auf Fanausschreitungen zu reagieren.

Für viele ist der Platzsturm der etwa hundert Hertha-Fans im März ein weiterer Beleg für die gesteigerte Gewaltbereitschaft in der Fanszene.

Ich würde diesen Vorfall nicht mit anderen gewalttätigen Ereignissen gleichsetzen. Es ist ja niemand verletzt worden. Fraglos war das Betreten des Innenraums ein Tabubruch. Dieses Verhalten ist nicht tolerierbar.

Auch Union-Fans haben in dieser Saison mehrmals gegnerische Anhänger attackiert. Ist grundsätzlich eine verstärkte Gewaltbereitschaft zu erkennen?

Es häufen sich allgemein die Vorfälle. Teile der Ultrabewegung stehen am Scheideweg. Das Positive, wofür die Ultrakulturen bislang standen - kreative Choreografien etwa -, wird durch immer mehr Regeln und Vorgaben erschwert. Einigen Fans reicht dies aber auch nicht mehr aus: Für sie gehört Gewalt durchaus dazu.

Das ist auch in Berlin so?

Hier ist das Problem nicht so virulent. Der Platzsturm nach dem Spiel gegen Nürnberg hat mich deshalb sehr überrascht. Positiv war, dass danach, anders als sonst üblich in der Fanszene, eine Bereitschaft zur selbstkritischen Reflexion da war.

Davon hat man nichts mitbekommen.

Intern distanzierte man sich eindeutig von den Sachbeschädigungen. Man wollte das aber leider nicht in Form einer öffentlichen Stellungnahme machen. Gegen den Druck von außen hält man lieber als Gruppe zusammen.

Wie erklären denn gewalttätige Fans ihr Verhalten?

Einige erklären Gewalt neuerdings zu einem Bestandteil ihrer Ultrakultur. Das ist eine negative Entwicklung, die uns Sorgen bereitet.

Warum haben die Fanprojekte dem nicht entgegenwirken können?

Fanprojekte leisten seit über 20 Jahren eine hervorragende Jugendarbeit. Trotzdem darf man von uns keine Wunderdinge erwarten. In Berlin sind wir vergleichsweise gut besetzt. Dennoch betreuen vier hauptamtliche Mitarbeiter eine Szene von etwa 600 Ultras, die weiterhin viele junge Leute anzieht. Die Gruppen werden immer unübersichtlicher.

Ein Problem ist auch das schlechte Verhältnis zwischen den Fans und der Polizei. Die Deutsche Fußball-Liga will nun eine Kommunikationsebene herstellen.

Eine begrüßenswerte Idee. Aber das gehört in Berlin schon lange zu unserem Konzept. Es gab früher Gesprächsrunden, einmal die Saison, zwischen Fans und Polizei. Irgendwann müssen dann jedoch auch Ergebnisse her. Bei der Polizei fehlte die Bereitschaft, sich selbstkritisch zu hinterfragen. Ihre Position war: "Wir machen alles richtig, ihr müsst euch ändern." Da haben die Fans den Dialog abgebrochen.

Das klingt nach einer verfahrenen Situation.

In Berlin setzt man leider auf Repression und Abschreckung. Das ist eine Nulltoleranz-Geschichte. Mittlerweile haben uns aber die Fans beauftragt, das Gespräch mit der Polizei zu suchen, um ihre Position zu vertreten.

Fürchten Sie jetzt, da Hertha wohl aus der Bundesliga absteigt und mit Union dann in einer Liga spielt, neue Probleme?

Das kann ich schwer einschätzen. Aber das direkte Konkurrenzverhältnis birgt sicherlich Konfliktpotenzial.

Es gab ja bereits einen kleinen Vorfall. Etwa 200 Union-Fans tauchten bei einem Spiel von Hertha BSC auf, um zu provozieren.

Die Aktion, die sie ansprechen, ist innerhalb der Union-Fanszene scharf verurteilt worden. Was mir Hoffnung gibt: Einige aus den beiden Ultraszenen kennen sich untereinander, etwa, weil sie auf dieselben Schulen gegangen sind. Momentan ist das Verhältnis überwiegend von Respekt geprägt.

Die Fans des Berliner FC Dynamo sorgten früher öfter für Randale. Bei deren Aufstieg in die Regionalliga ständen bald wieder Risikospiele gegen Halle, Chemnitz und Magdeburg auf dem Plan. Sind Sie besorgt?

Die BFC-Fans, mit denen wir Kontakt haben, fürchten selbst, dass dann wieder Leute auftauchen, die aus ihrer Sicht glücklicherweise nicht mehr da sind. Der BFC hat nach wie vor einen Ruf, der eine gewaltbereites Klientel anzieht. Weil es aber auch andere Strömungen gibt, arbeiten wir jetzt mit denen intensiv zusammen.

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