Fußball-Erstligist Gladbach in der Krise: Zeit für Korrekturen
Seit der Verkündung von Marco Roses Abschied verliert Gladbach nur noch. Gegen Schalke soll nun ein Sieg her – ein neues Ziel ist schon vor Augen.
Aus dem Kollegenkreis bekommt Max Eberl aktuell immer mal anerkennende Kommentare. Dass er Gladbachs Cheftrainer Marco Rose trotz einer fast schon vereinshistorischen Negativserie nach wie vor seinen Job machen lässt, ist keine Selbstverständlichkeit. Zuletzt lobte Jörg Schmadtke, ein gebürtiger Rheinländer, die Standhaftigkeit des Rautenklubs und von dessen Sportdirektor Eberl – in seiner Rolle als Sport-Geschäftsführer des VfL Wolfsburg. Das ist der Verein, gegen den Roses Team zuletzt gepunktet hat. Mitte Februar, bei einem unspektakulären 0:0.
Am Tag danach wurde bekannt, dass Rose sein im Sommer 2019 begonnenes Werk am Niederrhein abbrechen und nach der Saison zum Ligakonkurrenten Dortmund wechseln wird. Seitdem hat Gladbach sieben Spiele absolviert – und alle sieben verloren. Viermal in der Liga, im Viertelfinale des DFB-Pokals (dummerweise gegen den BVB), plus zweimal bei den komplett chancenlosen Auftritten in der Champions League gegen Manchester City.
Teil zwei der Königsklassenvorführung durch Pep Guardiolas Citizens fand am Dienstagabend in Budapest statt. Rose plädierte anschließend dafür, zwischen den Leistungen und den Ergebnissen seiner Mannschaft in der jüngeren Vergangenheit zu unterscheiden. Unter seinen Getreuen war Yann Sommer („Das geht manchmal etwas unter“) immerhin bereit, die internationalen Darbietungen der Gladbacher in dieser Saison zu würdigen. Doch dann merkte Borussias Schweizer Schlussmann auch an: „Sieben Pleiten – das kann man nicht wegdiskutieren.“
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Schon gar nicht mehr, sollte am Samstagabend Nummer acht folgen: beim FC Schalke 04, als abgeschlagener Tabellenletzter gerade auf dem Weg in die Zweite Liga. „Das wird ein sehr hartes Spiel“, ahnt Sommer, der der Ansicht ist, dass das Team „nach den letzten Wochen einiges schuldig“ ist. In allererster Linie dies: „Wir müssen wütend sein und uns gegen die Situation wehren.“
Rose behalf sich angesichts der auch für ihn belastenden Situation mit dem persönlichen Rückblick, in seinem Leben schon andere Krisen gemeistert zu haben. Oder indem er sich, wie vor dem zweiten Duell mit Manchester City, vergegenwärtigte, dass es „auf diesem Planeten viel, viel schlimmere Dinge gibt“ als die momentane Lage der Borussia. Mit beiden Erkenntnissen liegt der gebürtige Leipziger sicher richtig. Andererseits interessiert es seinen Noch-Arbeitgeber aber schon, was bis zum Gladbacher Saisonfinale am 22. Mai in Bremen noch passiert.
„Rose raus“-Aufkleber
Als viertschlechteste Rückrunden-Mannschaft ist Roses Ensemble inzwischen in die untere Tabellenhälfte abgerutscht. Es droht die schwächste Spielzeit seit dem Fast-Abstieg vor zehn Jahren – ein Szenario, dem Sportchef Eberl nun mit einem überarbeiteten Saisonziel entgegentrat. Der gebürtige Niederbayer hat die zur nächsten Saison frisch eingeführte Europa Conference League zum neuen Objekt der VfL-Begierde erklärt, am Freitag meinte er dazu: „Manche böse Stimmen sagen sogar dritte Liga, weil die Europa League schon die zweite Liga bedeutet. Ich finde das ein bisschen despektierlich.“
Wird entweder Dortmund oder Leipzig Pokalsieger genügt zum Erreichen des dritten kontinentalen Wettbewerbs nach derzeitigem Stand Platz sieben in der Bundesliga. Den hat aktuell Union Berlin inne, mit fünf Punkten Vorsprung auf Gladbach.
Gegen die von Torwart Sommer eingeforderten Emotionen dürfte auch der mäßigende, auf Ausgleich und Differenzierung pochende Marco Rose nichts einzuwenden haben. „Wir wollen das Spiel mit aller Macht und Klarheit angehen und gewinnen“, betonte der 44-Jährige am Tag vor der Partie in Gelsenkirchen. Denn klar ist: „Es wird Zeit, dass wir uns da das Ergebnis holen.“
Im Falle einer Niederlage, drängte sich dann mehr denn je die Frage auf, ob Rose – dessen Nachfolger Jesse Marsch (momentan Salzburg) oder Gerardo Seoane (Young Boys) werden könnte – tatsächlich bis Ende Mai weitercoachen darf.
Gedanklich ist der künftige BVB-Trainer jedenfalls längst in den kommenden Wochen. „Nach dem Schalke-Spiel haben wir eine Länderspielpause und dann noch acht Spiele. In denen haben wir die Chance, ein paar Dinge zu korrigieren.“ Es wird wirklich Zeit. Ampeln und Laternen rund um den Borussia-Park sind mit dem Aufkleber „Rose raus“ versehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland