Durchs Dröhnland
: Für sich, für mich, egal

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Das, was Touristen aus Portugal meist mitbringen, sind zum einen die Erinnerung an plattgedrückte Grillhähnchen, zum anderen die eine oder andere Fado-Kassette. Beides stimmt ziemlich melancholisch, irgendwie. Doch die traurigste aller Volksmusiken verläßt langsam ihr Heimatland und erfährt dadurch auch erste musikalische Mutationen. So singt Misia, in Barcelona wohnhafte Tochter einer katalanischen Mutter und eines portugiesischen Vaters, zwar schmerzend, aber in nicht wenigen Liedern wagt es die Melodie anzudeuten, daß es etwas anderes als Leid gibt. Ganz sanft wird aus dem Fado dann doch wieder nur eine Liedform unter anderen. Die leichte Mainstreamisierung entstaubt die Angelegenheit, aber man fragt sich dann doch, was es noch soll.

25.4., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Schöne altmodische TwoTone-Gemütlichkeit verbreitet die Sheep's E-Band. Die hat sich die Kapelle aus dem hohen Norden in zwei Jahrzehnten auf den Bühnen dieser Republik hart erarbeitet. Da sollte man nicht erwarten, daß sie den Ska neu erfinden, aber das Genre lebte schon immer mehr von der Tradition. Die vier Bläser wissen auf jeden Fall, wie man die Hütchen zum Hopsen bringt.

25.4., 21.30 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170

B.B. King ist einfach ein zu netter Mensch. Auf „Deuces Wild“, seiner Platte voller Duette mit berühmten Kolleginnen und Kollegen, finden sich doch tatsächlich neben den Größen Van Morrison, Dionne Warwick, Willie Nelson, den Stones oder Dr. John auch Flachzangen wie Mick Hucknall, im Hauptberuf rothaarig und bei Simply Red, oder Zucchero. Der kämpfte unlängst völlig aufgeschwemmt als Vorprogramm beim Rocchigiani-Boxkampf tapfer mit dem Vollplayback – kein schöner Anblick. Aber der 73jährige King ist eben zu nett. Wie er da so auf der Bühne steht, seine Gitarre herzend, die immer noch Lucille heißt, und in die Runde lächelt und dickbäuchige Seligkeit verströmt und immer denselben Blues spielt und ihn nur ab und zu anders nennt. Was gerne vergessen wird: B.B. King ist deshalb der größte Bluesmusiker aller Zeiten und trotzdem noch am Leben, weil er zwar anerkanntermaßen ein Disziplinfanatiker ist, aber trotzdem niemals ein Authentizitätsproblem bekam. Im Gegensatz zu einigen anderen seiner Generation verstand es King vorzüglich, sich auch für einen weißen Markt zum Bluesmann zu stilisieren, ohne sich aus Beweisnot zu Tode zu saufen. „The Thrill Is Gone“ singt er noch heute gerne, und man muß ihm da beipflichten. Doch gerade das entspannte Dasein als alter Mann hat in diesem Fall noch seinen Reiz.

26.4., 20 Uhr, Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten

Ach ja, Bands wie diese werden heutzutage nicht mehr hergestellt. Come und ihre alles bestimmende Sängerin Thalia Zedek sind so was von außerhalb aller Zeitläufte, daß nur die Kultgefolgschaft noch treuer wird. Schon als Zedek noch Live Skull unter ihrer Fuchtel hatte, also in der zweiten Hälfte der 80er ungefähr, war sie zwar etwas zeitgemäßer, nämlich irgendwie integriert in den New Yorker Noise-Rock. Doch während die Mitstreiter von einst, so Jon Spencer, der damals Pussy Galore betrieb, inzwischen neuen Glamour und ein Auskommen gefunden haben, ging Zedek immer völlig in ihrem aufopfernden Bekenntniszwang auf, wurde eins mit der Musik und gab sich völlig preis, was niemals gesund ist. Vielleicht war und ist sie ja eine leicht aktualisierte Version der frühen Patti Smith, aber selbst das wäre kein sonderlich moderner Ansatz. So sind Come immer noch laut und heftig, haben verzerrte Gitarren, als wäre die Zeit stehengeblieben. Des öfteren haben sie inzwischen auch einen guten Song, aber noch immer ist Zedek so sperrig, daß es weh tut. Man muß nicht verstehen, was sie singt. Wenn man hört, wie sie singt, versteht man, daß diese Frau leidet. Für sich, für mich, für dich, woran ist da völlig egal.

28.4., 21 Uhr, Huxleys Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln

Daß da etwas nachwächst an Leidenspotential, daß Thalia Zedek nicht ganz allein ist auf dieser weiten wüsten Welt, erfährt man, wenn man K's Choice hört. „Stop asking why“, singt Sarah Bettens, die die Band in den Anfangstagen allein mit ihrem Bruder Gert betrieb. Eine Gitarre, zwei Stimmen – und das hört man heute noch, denn die Songs sind wunderbar ziseliert und unglaublich transparent, jeden Ton glaubt man hören zu können, jede Nuance der vorsichtigen Geschwister-Duette, auch wenn inzwischen eine komplette Rockband mitspielt und auch manchmal als eine solche einfach losbrettert. Und schlußendlich spielt das Quintett auch nur Rock, allerdings so ziemlich den schönsten, anrührendsten und bewegendsten, der seit einiger Zeit zu hören war.

28.4., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Eigentlich kann man dieses Gewürge wirklich nicht mehr hören. Zuerst ein bißchen harmlos auf den Gitarren rummachen und dann loskotzen wie nix Gutes, das ist auf Dauer doch recht einfallslos. Ratos De Porao genießen immerhin dahingehend mildernde Umstände, als daß sie aus Brasilien stammen, wo es noch einiges nachzuholen gilt. Allerdings sind die Kellerratten aus São Paulo bereits seit 1981 zugange und haben kaum mehr gelernt, als Death Metal in ihren Hardcore zu integrieren. Manchmal spielt das Quartett auch Punkklassiker von den Saints, Minor Threat, Black Flag, Radio Birdman oder den Dead Kennedys. Schlußendlich ist das souverän runtergeknüppelter Stoff, der in der richtigen Haßstimmung gut zum Abreagieren taugt.

Mit Ninos Con Bombas und Crushing Caspars, 30.4., 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg Thomas Winkler