Kommentar: Für den Notstand '99
■ Rechtsfragen werden zu Machtfragen
Der Rechtsstreit um die verfassungswidrige Haushaltsführung 1996 wird praktisch keine Auswirkung haben, könnte man sagen. Was macht es, wenn nicht ein Haushaltsausschuß mit seiner SPD/CDU-Mehrheit, sondern – verfassungswidrig – eine Finanzdeputation mit derselben Mehrheit die Geldausgaben beschließt?
Aber Rechtsfragen sind potentielle Machtfragen. Das Recht, über „vorläufige Haushaltsführung“ in Bremen zu entscheiden, wird bald eine dramatische Dimension bekommen. 1997 will das Land in Bonn eine Fortsetzung der Sanierung fordern. Wenn Finanzminister Waigel es mit Verweis auf die Bonner Haushaltslage und die Maas-tricht-Anforderungen für die Währungsunion ablehnt, weiter Jahr für Jahr 1,8 Milliarden an die Weser zu überweisen, dann kann Bremen Bankrott erklären. Jahr für Jahr 1,8 Milliarden Mark Neuverschuldung aufhäufen, das geht nicht, und noch dazu jedes Jahr eine halbe Milliarde Neuverschuldung fürs ISP geht schon gar nicht. Daß es pünktlich zum 1.1.1999 einen regulären Haushalt gibt, ist also fast ausgeschlossen. Dann wird die große Koalition den Staatsnotstand erklären müssen.
Für den dann anstehenden Streit dürfen sich die Bremer ein wenig mehr verfassungsrechtliche Kompetenz der großen Koalitionäre wünschen und die verfassungsrechtlich gebotene starke Stellung der Volksvertreter im Parlament. Klaus Wolschner
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