■ Mit Europas Post auf du und du: Fünfmal pro Woche
Freiburg (taz) – Die Umgestaltung des europäischen Telekom-Marktes genießt allgemeine Aufmerksamkeit. Entsprechendes steht jedoch auch der Brief-, Paket- und Päckchenpost bevor: Monopole sollen zerschlagen werden und private WettbewerberInnen – angeblich – mehr Effizienz zum Wohle aller bringen.
Gestern wollten in Brüssel die 15 EU-PostministerInnen einen „gemeinsamen Standpunkt“ zu den Einzelheiten dieser Reform festlegen. Konsens ist, daß es weiterhin einen Universaldienst geben soll. Das heißt: Alle PostkundInnen sollen ihre Post mindestens fünfmal die Woche frei Haus zugestellt bekommen. Auch die Beförderung bestimmter Standardbriefe und Pakete soll zu diesem flächendeckend angebotenen Universaldienst gehören.
Weiter einig sind sich die MinisterInnen, daß dieser Universaldienst nur finanzierbar ist, wenn den jeweiligen AnbieterInnen bestimmte Monopolbereiche, insbesondere beim Briefdienst, erhalten bleiben. Könnte sich nämlich die Konkurrenz die einfach zu bedienenden Großstädte herauspicken, würden die Kosten für die personalintensive Hauszustellung für den Universaldienst noch wesentlich teurer als die heute schon üblichen 50 Prozent der Kosten am gesamten Postdienst. Die Einigkeit endet aber, wenn es darum geht, den Umfang und den Zeitrahmen der Privatisierung festzulegen. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag der EU-Kommission, die mit der Liberalisierung von Massendrucksachen und grenzüberschreitenden Sendungen beginnen will. Vor allem die Infopost ist für private AnbieterInnen interessant. In Ballungszentren würde sie vermutlich zu Dumpingpreisen selbst verteilt, während man sich auf dem flachen Land und im Gebirge der PostbriefträgerInnen bedienen könnte.
Bis zum Jahr 2000 soll diese Umstrukturierung über die Bühne gegangen sein. Der französische Regierungschef Alain Juppé hat jedoch bereits klar gestellt, daß er nichts überstürzen will. Im Ministerrat benötigt Frankreich allerdings die Hilfe anderer Staaten, da die Reform der Postdienste keine Einstimmigkeit erfordert. Vor allem Belgien, Griechenland und Luxemburg haben aber bereits ähnliche Bedenken geäußert. Die BefürworterInnen einer schnellen und möglichst weitgehenden Deregulierung sitzen in Deutschland, Holland und den nordischen Ländern. Gestern wurde mit einer Einigung nicht mehr gerechnet – ein ungewollter Erfolg der europäischen Postgewerkschaften. Christian Rath
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