Fünf Sorten Gefangene: Obama präzisiert Guantánamo-Pläne
Der US-Präsident hält an der Schließung fest. Eine Lösung für Gefangene, die als gefährlich eingestuft gelten, aber gefoltert wurden, hat er jedoch noch nicht.
WASHINGTON taz | US-Präsident Barack Obama hat die geplante Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo am Donnerstag vehement verteidigt. In seiner Grundsatzrede zum Kampf gegen den Terrorismus sagte er, die Regierung seines Vorgängers George Bush habe nach den Anschlägen vom 11. September 2001 überhastet reagiert und Fehler gemacht. Nun müsse er mit dem Schlamassel fertig werden.
Das Problem, so Obama, sei nicht die Schließung von Guantánamo, sondern es sei die Entscheidung seines Vorgängers, das Lager zu eröffnen. Sie habe den Ruf der USA in der Welt geschädigt und al-Qaida dabei geholfen, neue Kämpfer zu rekrutieren. Der beste Garant für die Sicherheit sei deshalb die Rückbesinnung auf amerikanische Werte.
Um diese Worte zu sagen, hatte sich der US-Präsident einen besonderen Platz ausgesucht. Er hielt die Rede im Nationalarchiv in Washington direkt vor dem Original der amerikanischen Verfassung, und unter einem Gemälde von der Übergabe derselben durch die Gründerväter der Vereinigten Staaten. Eine mehr als deutliche Inszenierung.
Obama teilte die 240 Guantánamo-Gefangenen in fünf Kategorien. Diejenigen, die gegen US-Recht verstoßen haben, sollen vor Gerichten in den USA angeklagt werden. Nach einer Verurteilung sollen sie ihre Strafe in US-Hochsicherheitsgefängnissen absitzen - eine Maßnahme, die allerdings auf den erbitterten Widerstand des Kongresses stoßen dürfte.
Gefangene, die gegen geltendes Kriegsrecht verstoßen haben, kommen vor ein Militärgericht. Allerdings sollen ihnen mehr Rechte als bisher zugestanden werden: Aussagen, die unter Folter gemacht wurden, sind nicht mehr länger vor Gericht verwertbar. Darüber hinaus dürfen die Angeklagten ihre Anwälte frei wählen.
Bei der dritten Kategorie handle es sich um Gefangene, deren Freilassung von Gerichten angeordnet werden, wie es in der Vergangenheit schon geschehen ist. Etwa 50 Gefangene können in andere Länder transferiert werden, sagte Obama. Er werde sich darum bemühen, diese Zahl zu erhöhen.
Bei der fünften und letzten Gruppe stehe er vor der "schwersten Entscheidung", so Obama. Es handle sich um Gefangene, die nicht angeklagt werden können, weil ihre Aussagen beispielsweise durch Folter erzwungen wurden, die aber von al-Qaida ausgebildet wurden und sich mit den USA im Kriegszustand befinden. Diese Leute, so versprach Obama, werden keinesfalls freigelassen. Wo sie bleiben sollen, sagte er jedoch nicht.
Am Vortag hatte Obama eine Niederlage in Sachen Guantánamo erlitten. Der Senat verweigerte ihm mit großer Mehrheit die 80 Millionen Dollar, die er für die Schließung beantragt hatte. Zuvor müsse der Präsident erklären, was mit den 240 Gefangenen geschehen solle, hieß es.
Das Repräsentantenhaus, in dem ebenfalls die Demokraten die Mehrheit stellen, hatte bereits vergangene Woche gegen die Freigabe von Mitteln für die Auflösung des Lagers gestimmt. Der Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, sagte, der Senat werde dafür sorgen, dass Obamas Plan die eindeutige Bestimmung enthalte, dass kein Gefangener in ein US-Gefängnis verlegt wird. Es wird nun eng für Obama: Sein Zeitplan sieht die Schließung des Lagers für Januar vor.
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