Fünf Jahre Haft: Iranische Frauenrechtlerin verurteilt
Die 22-jährige Hana Abdi soll an der Vorbereitung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit mitgewirkt haben. Der Druck auf Frauen, die für Gleichberechtigung streiten, wächst.
BERLIN taz Die iranische Frauenrechtlerin Hana Abdi ist in der vergangenen Woche von der zweiten Kammer des Revolutionsgerichts der Stadt Sanandadj in der Provinz Kurdistan zu fünf Jahren Haft und Verbannung in einem abgelegenen Gefängnis verurteilt worden. Der 22-Jährigen wurde nach Aussagen ihres Anwalts, Mohammad Scharif, vorgeworfen, "an Versammlungen und Aktivitäten zur Vorbereitung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit" teilgenommen zu haben. Für eine mögliche Berufung sei eine Frist von zwanzig Tagen angesetzt worden, sagte der Anwalt.
Abdi sitzt seit November in Untersuchungshaft. Sie ist Teilnehmerin der "Kampagne Eine Million Unterschriften für Gleichberechtigung". Die Initiative, die vor zwei Jahren in der Hauptstadt Teheran begonnen hat, richtet sich gegen Benachteiligungen der Frauen beim Sorgerecht, Erbrecht, Familienrecht, Scheidungsrecht und dergleichen mehr. Unter dem Motto "Von Angesicht zu Angesicht" sprechen Frauen Menschen auf der Straße an, gehen in Zeitungsredaktionen, zu Ämtern, Schulen, Universitäten, Familien, erläutern ihr Anliegen und sammeln Unterschriften. Damit erhöhen sie nicht nur den Druck auf die islamischen Gesetzgeber, sie klären auch landesweit über Frauenrechte auf.
Abertausende Frauen, aber auch Männer haben sich der Kampagne angeschlossen. Bemerkenswert an der Aktion ist vor allem, dass die Beteiligten mehrheitlich aus dem islamischen Lager stammen. Es sind Frauen und Männer, die einen aufgeklärten, zeitgemäßen Islam anstreben. So gehört zu den Teilnehmerorganisationen eine Initiative, die sich als "feministische islamische Frauen" bezeichnet. Ihr Verständnis vom Feminismus decke sich voll mit dem europäischer Frauen, sagte ein Vorstandsmitglied dieser Organisation der taz. "Unser Ziel ist Gleichberechtigung auf allen Ebenen", sagte sie. Der Zusatz "islamisch" bedeute, dass "wir unseren Glauben nicht verlieren wollen". Und wenn die islamischen Gesetze den Forderungen nach Gleichberechtigung widersprächen, müssten nicht die Forderungen, sondern die Gesetze abgeschafft werden.
Aus Sicht der herrschenden Radikal-Islamisten ist die Frauenbewegung eine ernste Gefahr für den Gottesstaat. Sie könnte den ideologisch-islamischen Staat unterhöhlen und das gesamte System ins Wanken bringen. Tatsächlich stehen Frauen schon seit Jahren an der Spitze der iranischen Zivilgesellschaft. Sie haben zwar juristisch bisher nicht allzu viel erreicht, aber gesellschaftlich ihre Rolle weit ausgebaut. In sämtlichen Bereichen, nicht zuletzt in der Wirtschaft, besetzen Frauen Führungspositionen. An den Universitäten bilden heute Frauen mit 60 Prozent die Mehrheit der Studierenden. Dies hat das islamische Parlament dazu veranlasst, eine Quote für Männer einzuführen.
Seit der Regierungsübernahme von Mahmud Ahmadinedschad werden Frauenaktivistinnen zunehmend verfolgt. Zurzeit sitzen Dutzende Frauenrechtlerinnen im Gefängnis. Kürzlich wurde sogar ein Mann wegen seines Einsatzes für Gleichberechtigung zu einem Jahr Haft verurteilt.
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