Führungsstreit in der Linkspartei: Zwei Männer auf Romantiktour
Die Spitzenpolitiker der Linkspartei, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, wollen offiziell ihren Streit beenden – und inszenieren dazu einen Schulterschluss.
METTLACH taz | Die Saarschleife bei Mettlach im verschlafenen Dreiländereck aus Deutschland, Frankreich und Luxemburg ist ein romantisches Kleinod. Sanft fallen die Wälder bis hinunter ans Ufer des grünen Wassers, das durchs Naturschutzgebiet plätschert. Es dürfte im ganzen Saarland nichts geben, was häufiger fotografiert worden wäre als diese idyllische Szenerie.
Oskar Lafontaine diente sie immer schon als Kulisse für besonders wichtige Inszenierungen. 1997 übte er hier den symbolischen Schulterschluss mit seinem SPD-Rivalen und Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder. Und am Samstag lud er den Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, zur versöhnlichen Bootsfahrt.
Seit dem verheerenden Göttinger Parteitag vor einem Monat gelten die beiden politischen Schwergewichte der Linken als zerstritten. Zuvor schon hatte Lafontaine, Linken-Chef an der Saar, seine Bewerbung um den Parteivorsitz zurückgezogen, nachdem Gysi ihm die Unterstützung versagt hatte. Lafontaine repräsentierte den Westen. Gysi personifizierte den Osten einer Partei, die sich selbst nicht geheuer ist und in Richtungsstreitereien aufzuzehren droht.
Der Saarländer steht für einen harten Kurs gegenüber einer SPD, mit der die Linke im Osten allerdings auf Länderebene durchaus gedeihlich zusammenarbeitet. In Göttingen hatte Gysi erstmals öffentlich die Möglichkeit einer „fairen Trennung“ ins Spiel und damit Lafontaine auf die Palme gebracht: „Es gibt keinen Grund, das Wort Spaltung in den Mund zu nehmen!“ Am Ende gab es eine neue Parteiführung von Lafontaines Gnaden. Ausgesprochen haben sich die beiden Flügelkämpfer schon bei einem Steinbutt-Essen Mitte Juni am Berliner Gendarmenmarkt.
Persönlich die Saarschleife gekrümmt
Auch mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr galt es nun, den erneuten Schulterschluss publikumswirksam zu inszenieren – an der Saar, wo Lafontaine lange Jahre Ministerpräsident war, nun die Opposition im Landtag leitet und sich sichtlich noch immer wie der Herr im Hause fühlt. Von Lafontaine heißt es im Saarland scherzhaft, er persönlich habe die Saarschleife gekrümmt und könne sie, wenn ihm etwas nicht passe, jederzeit auch wieder gerade ziehen. Es ist sein Revier.
Wenn auch an der Ablegestelle nur ein einziges Plakat die Veranstaltung ankündigte, so war die dreistöckige „Maria Croon“ doch mit rund 300 Parteifreunden, zahllosen Journalisten und Sicherheitsleuten überfüllt wie eine indonesische Fähre. Am Heck flatterte ein rotes Fähnchen der Linken. Sein himmelblaues Hemd hatte Lafontaine ausnahmsweise mal aufgeknöpft, locker und leutselig spielte er den Reiseleiter.
Feine Fahrradwege gebe es hier, die Gasthäuser seien gastlich und der Wein empfehlenswert. Gysi spielte routiniert mit, auch wenn er sich trotz der Hitze anfangs nicht von seinem Sakko trennen mochte. Später verbarg er seine Augen hinter einer runden Sonnenbrille und lauschte Lafontaine, der freimütig seinen damaligen Ausflug mit Gerhard Schröder thematisierte.
Die Saarschleife sei, „wenn man so will, ein Symbol für all diejenigen, die sich daran erinnern wollen, dass eine Politik der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland weitergeführt werden muss. Deshalb habe ich Gregor Gysi aber nicht hierhergebeten, denn er steht sowieso für diese Politik“.
Es habe zwar „Differenzen“ (Lafontaine) und „Meinungsverschiedenheiten“ (Gysi) gegeben, aber die seien ausdiskutiert worden – „so offen es geht“ (Gysi). Als das Schiff an einer Schleuse angehoben wurde, kommentierte das ein launiger Gysi mit Blick auf die Linke: „Die Richtung will ich für uns auch.“ Bei allem Eifer, jede Kleinigkeit zur Allegorie aufzubauschen, entging den metaphernseligen Profis freilich ein fatales Detail. Die Fahrt führte beide Politiker vor allem stromabwärts.
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