Führungsstreit in der FDP dauert an: Liberale noch kopflos

Noch immer zögert der FDP-Nachwuchs, zu kandidieren. Zugleich verschärft sich der Konflikt. Vor allem Rainer Brüderle ätzt gegen den "Säuselliberalismus" der Jüngeren.

Blick ins Ungewisse: FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Bild: reuters

BERLN taz | Christian Lindner kennt viele Kniffe, um wenig zu sagen. Er wirbt um Verständnis, verweist auf einzuhaltende Verfahren, wird unwirsch. Wenn gar nichts mehr hilft, macht er Komplimente.

Der FDP-Generalsekretär muss alle Kniffe anwenden, als er am Montag vor vollen Journalistenreihen einer Antwort auf die Frage ausweicht: Wer wird nächster FDP-Vorsitzender? Noch sei keine Entscheidung gefallen, sagt Lindner nach der Präsidiumssitzung. Voraussichtlich am Dienstag, bei Beratungen der Führungsgremien von Partei und Bundestagsfraktion, träten mögliche Kandidaten vor. Lindner steht unter Druck. Seit Tagen stecken seine Parteifreunde Medienvertretern: An Philipp Rösler führe kein Weg mehr vorbei.

Nach der Ankündigung Guido Westerwelles, auf dem Bundesparteitag Mitte Mai nicht erneut für den Parteivorsitz anzutreten, gerät die Führungsdiskussion in der FDP vollends außer Kontrolle. Lindner giftet daher gegen Parteifunktionäre "aus der zweiten oder dritten Reihe, die jetzt das Gespräch" mit Journalisten suchten.

Zu ihnen zählt auch der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil. "Ich gehe davon aus, dass Rösler es wird", sagte Zeil am Montag in München. Ob Rösler dann sein Amt als Bundesgesundheitsminister behalte oder ein anderes Ressort in der Regierung übernehme, werde im Anschluss entschieden. Zeil sitzt auch im FDP-Bundesvorstand. Mit Blick auf Sabine Leutheusser-Schnarrenberger urteilt er: Er erwarte, dass auch die bayerische FDP-Chefin "in das Team der engeren Führung" kommt.

Homburger wackelt

Aus der Debatte über den Vorsitzenden ist eine Krise der gesamten Führung geworden. Die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger wackelt. Sie bangt zudem um ihren FDP-Landesvorsitz in Baden-Württemberg. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat nach dem verheerenden Abschneiden seines Landesverbandes in Rheinland-Pfalz bereits dessen Führung abgegeben.

Am Montag veröffentlichte Brüderle einen Gastbeitrag im Handelsblatt, in dem er die klassischen FDP-Ziele zusammenfasste. Ein Signal an die Partei: Seht her, nur ich garantiere wirtschaftspolitische Kompetenz, ich werde noch gebraucht. Aber all das könnte sich als zu wenig erweisen. Zu stark ist mittlerweile der Unmut in der Partei, zu massiv drängt daher die nächste FDP-Generation an die Schaltstellen der Macht.

Lindner, der am Montag den unbeteiligten Boten des Parteipräsidiums geben muss, ist selbst Teil des Machtkampfs. Auch der 32-Jährige gilt als möglicher Nachfolger Westerwelles. Gemeinsam mit Philipp Rösler und dem NRW-Landesvorsitzenden Daniel Bahr schreckte er jedoch lange vor einer offenen Eskalation zurück. Die drei fürchteten, als Königsmörder dazustehen, die obendrein kaum bundespolitische Erfahrungen vorweisen können.

Selbst am Montag versucht Lindner noch, den Eindruck entstehen zu lassen, die Führungsdiskussion verlaufe in geordneten Bahnen. Wenn die FDP für alle Wähler interessant sein wolle, müsse sie auch alle politischen Schattierungen innerhalb der Partei abbilden, sagt der Generalsekretär. Soll heißen: Keiner soll ihm nachsagen können, er habe sich illoyal verhalten.

Kein "politischer Weichspüler"

Auch deshalb erklärte Lindner, trotz des Wechsels an der Parteispitze halte die FDP an ihren politischen Konzepten fest. Man werde sich keinen "politischen Weichspüler" verordnen. "Die FDP ist anders als die anderen Parteien, und wir wollen auch weiter anders als die anderen Parteien bleiben." Eine Änderung der politischen Identität wäre grundfalsch. Die FDP stehe auch künftig für soziale Marktwirtschaft, demokratischen Rechtsstaat und gesellschaftspolitische Liberalität sowie für die Eigenverantwortung des Einzelnen.

Doch darunter verstehen Jüngere und Ältere in der Partei sehr verschiedene Dinge. Brüderle hält nicht viel von den Versuchen Lindners, Röslers und Bahrs, der FDP ein weniger polarisierendes Image zu geben. Der Wirtschaftsminister ätzte, manche in der Partei wollten einen "Säuselliberalismus". Die Generation der Mittdreißigjährigen hingegen will sich nicht länger an Koalitionen mit der Union ketten und wirbt für eine Öffnung gegenüber SPD und Grünen.

Brüderles Macht schwindet. Selbst Westerwelle hatte am Sonntag erklärt, die Partei stehe vor einem "Generationswechsel". Davor hatte der Noch-Parteichef sich zu Hause mit den drei Nachwuchspolitikern Rösler, Bahr und Lindner beraten.

Zudem soll Rösler für den Fall, dass er für den Parteivorsitz kandidiert, den Posten des Wirtschaftsministers beanspruchen. Doch dafür müsste Brüderle seinen Posten räumen. Dieser will sich aber die Krönung seiner politischen Laufbahn nicht nehmen lassen. Bislang ist der Rheinland-Pfälzer stellvertretender Bundesvorsitzender. Diesen Posten macht ihm nun der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn streitig.

Der Druck auf Brüderle steigt. Dem 65-Jährigen könnte es bald ähnlich ergehen wie Parteichef Westerwelle.

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