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Führungslose Slowakei sucht neue Regeln

Regierung und Opposition in der Slowakei einigen sich auf eine Verfassungsänderung. Das Amt des Staatspräsidenten kann noch immer nicht besetzt werden – Nutznießer ist Premierminister Vladimir Meciar  ■ Von Barbara Oertel

Berlin (taz) – Angesichts einer drohenden Staatskrise können auch die erbittertsten politischen Gegner einmal an einem Strang ziehen: Am Dienstag verabschiedete das slowakische Parlament mit den Stimmen des Regierungslagers und der Opposition eine Verfassungsänderung. Danach geht unter anderem die Kompetenz des Präsidenten, die Regierung zu entlassen und eine neue einzusetzen, auf den Parlamentspräsidenten über, solange das Land über keinen Staatschef verfügt. Damit scheint zumindest eine Blockade der Verfassungsorgane nach den Parlamentswahlen, die für Ende September anberaumt sind, vorerst abgewendet.

Seit dem Ende der Amtzeit von Michal Kovac am 2.März dieses Jahres hat die Slowakei auch nach zehn Wahlversuchen immer noch keinen neuen Staatspräsidenten. Weder die regierende Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) von Ministerpräsident Vladimir Meciar, noch die Opposition verfügen im Parlament über die für eine Präsidentenwahl notwenige Dreifünftelmehrheit.

Nutznießer dieses Patts war bislang einzig und allein der Regierungschef. Denn gemäß der Verfassung gehen im Fall einer Vakanz des Präsidentenamtes dessen wesentliche Vollmachten, wie die Abberufung von Verfassungsrichtern, das Recht, Referenden anzusetzen und Amnestien zu verkünden, auf den Premierminister über.

Meciar, sowohl von der Opposition als auch im Ausland wiederholt wegen seines autoritären Regierungsstils kritisiert, nutzte die neugewonnenen Möglichkeiten sofort – auf seine Art. Nur wenige Tage nachdem der Präsident abgetreten war, erließ Meciar eine Amnestie für Mitglieder seiner Regierung und des slowakischen Geheimdienstes. Überdies annullierte er ein für April geplantes Referendum über die Direktwahl des Staatspräsidenten und den Beitritt der Slowakei zur Nato. Fast zeitgleich wurde die Hälfte der slowakischen Botschafter im Ausland nach Bratislava zurückbeordert.

Auch im Hinblick auf die bevorstehenden Parlamentswahlen bewies der machtverliebte Regierungschef Weitblick und paukte mit freundlicher Unterstützung der HZDS ein neues Wahlgesetz durchs Parlament. Danach gilt für jede einzelne Partei die Fünfprozenthürde, um ins Parlament einzuziehen. Das schmälert besonders die Chancen der kleinen ungarischen Parteien, die bislang als Bündnis antraten, auch künftig mit Abgeordneten vertreten zu sein. Außerdem sollen die Wahlvorstände in den Wahllokalen nicht mehr nach Parteienproporz, sondern nur noch mit Staatsbediensteten besetzt sein – das heißt mit Meciar-Leuten.

Auch wenn es gelingen sollte, die Verfassungskrise zu vermeiden, ist der politische Streit längst nicht ausgestanden. In der vergangenen Woche kündigten Vertreter der Opposition an, das Wahlgesetz dem Verfassungsgericht vorlegen zu wollen.

„Die Fünfprozenthürde diskriminiert kleinere Parteien und schließt sie vom politischen Wettbewerb aus“, sagt der ungarische Abgeordnete Arpad Duka-Zolyomi. Auch die US-amerikanische Botschaft in Bratislava meldete Bedenken an: Das Gesetz könne zu Wahlen führen, die an geltenden Standards gemessen nicht als fair und frei bezeichnet werden könnten.

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