Führungskräfte in Bundesbehörden: Wenig Ostdeutsche ganz oben
Über 30 Jahre nach der Wende sind Ostdeutsche als Führungskräfte in Bundesbehörden weiterhin rar. Die Bundesregierung will nun gegensteuern.
Demnach sind nur 13,5 Prozent der Führungskräfte in der Verwaltung der obersten Bundesbehörden – etwa von Ministerien, dem Kanzleramt, in Bundesrat und Bundestag – gebürtige Ostdeutsche. Auf der oberen Leitungsebene halbiert sich der Anteil sogar.
Als Ostdeutsche gelten dabei Menschen, die in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen geboren sind. Berlin genießt eine Sonderstellung, ist in dieser Zählung aber enthalten. Rechnete man Berlin raus, wäre der Anteil von Ostdeutschen noch geringer.
In der Richterschaft beträgt der Anteil der Ostdeutschen nur sieben Prozent. Und das, obwohl die Ostdeutschen ein Fünftel (20 Prozent) der gesamtdeutschen Bevölkerung stellen. Die Annahme, es handle sich um eine vorübergehende Begleiterscheinung der Transformation, habe sich nicht bestätigt, heißt es in der Bestandsaufnahme. Vielmehr deute vieles darauf hin, dass sich die Unterrepräsentation Ostdeutscher in Führungspositionen weiter verfestigt und teilweise größer werde.
„Das Land nimmt sich etwas“
„Es gibt hier einen toten Fleck, auf den die Bundesregierung bisher nicht geschaut hat“, so der Ostbeauftragte der Bundesregierung Schneider.
Die Bundesregierung will nun gegensteuern. Die Bestandsaufnahme ist Teil eines Konzepts zur Steigerung des Anteils Ostdeutscher in Führungspositionen, das am Mittwoch in der Bundesregierung beraten und verabschiedet wurde. So soll künftig systematischer erfasst werden, wer im Osten geboren ist. Ab Juni wird von potentiellen Führungskräften auch der Geburtsort erfasst, das Personal von Behörden im Osten soll stärker regional rekrutiert werden.
Die Bundesregierung setzt vor allem auf die Sensibilisierung der Personalverantwortlichen und hat bei ihrer Kabinettssitzung auch eine Selbstverpflichtung beschlossen, die Repräsentanz von Ostdeutschen im eigenen Zuständigkeitsbereich zu verbessern. Von den 17 Bundesminister:innen sind nur Klara Geywitz, SPD, und Steffi Lemke, Grüne, gebürtige Ossis, also knapp über 10 Prozent.
Die Einführung einer Quote für Ostdeutsche lehnt Schneider vor allem aus juristischen Gründen ab. Sie sei nicht rechtssicher. „Ich fände es aber richtig, wenn wir die 20 Prozent erreichen“, so der gebürtige Erfurter. „Das Land nimmt sich etwas, wenn wir auf die Erfahrungen der Ostdeutschen in den Führungsebenen verzichten.“ Man sei damit breiter aufgestellt.
Das Konzept des Ostbeauftragten verweist auf die gesunkene Zufriedenheit mit der Demokratie besonders in den östlichen Bundesländern. Sie lag zuletzt nur noch bei 39 Prozent. Eine bessere Repräsentation und die Sichtbarkeit von Ostdeutschen in Führungspositionen könnten das Vertrauen in die Demokratie stärken, heißt es dort.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren