piwik no script img

Führungsdebatte in der LinksparteiDie Westkandidatin aus dem Osten

Die Linkspartei diskutiert, ob Sahra Wagenknecht sich künftig mit Gregor Gysi den Fraktionsvorsitz teilt. Die Abgeordnete mit NRW-Mandat erfüllt die Westquote.

Da kommt Sahra Wagenknecht um die Ecke. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Linkspartei diskutiert nach der verpatzten Berlin-Wahl über ihre Führung. Diesmal dreht sie sich nicht nur um die Parteispitze Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, die von den Politpragmatikern des Berliner Landesverbandes noch am Wahlabend für fehlenden "Rückenwind" gerüffelt wurden.

Prompt hatte Ernst gekontert, eine Personaldebatte "in dieser Situation wäre vollkommen überflüssig und schädlich". Wenn es nicht um die Parteispitze gehen soll, wird halt über die Fraktionsspitze diskutiert.

Laut Informationen des Tagesspiegel soll Oskar Lafontaine sich persönlich für Sahra Wagenknecht als Ko-Fraktionsvorsitzende neben Gregor Gysi einsetzen. Dazu befragt, sagt Wagenknecht: "Ich schließe es nicht prinzipiell aus. Aber das ist noch keine Bewerbung." Die kann also noch kommen.

Auf jeden Fall würde Wagenknecht als Fraktionschefin für noch mehr Unruhe bei den Sozialisten sorgen. Strittig ist nicht nur die Person Wagenknecht, sondern ob die Fraktionsspitze überhaupt doppelt besetzt werden soll. Eigentlich hat die Fraktion schon 2010 beschlossen, 2011 eine gemischte Doppelspitze zu wählen. Also Mann und Frau aus West und Ost. Der Ostler Gysi gilt als gesetzt. Als Westlerin würde Wagenknecht durchgehen: Sie ist zwar gebürtige Thüringerin, hat aber in Düsseldorf für den Bundestag kandidiert.

Geht es nach der NRW-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, die zum linken Flügel der Partei gehört, ist die Diskussion um das Ob daher überflüssig. Für Dagdelen ist auch die Frage nach dem Wer beantwortet: Sahra Wagenknecht soll es machen. "Jetzt die Doppelspitze beerdigen zu wollen, nur um sie zu verhindern, zeugt von Politikunfähigkeit", ärgert sie sich. Sie könne sich nicht vorstellen, "dass sich die linken emanzipatorischen Frauen meiner Fraktion das bieten lassen".

Wagenknecht sei nach Gysi und Lafontaine die beliebteste PolitikerIn der Linken: "Wagenknecht gerade jetzt in der Wirtschaftskrise nicht ganz nach vorne zu stellen, würde an politische Dummheit grenzen."

Widerstand von Gregor Gysi

Auf der Seite der Reformer sieht man die Sache komplett anders. Die stellvertretende Parteivorsitzende Halina Wawzyniak sagt, sie habe sich "seit der Klausur der Bundestagsfraktion 2009 gegen eine Doppelspitze ausgesprochen". Die Angelegenheit sei "keine Personalfrage, sondern eine Strukturfrage". Jan Korte, Mitglied des Forums demokratischer Sozialismus, sagt: "Ich dachte, wir sollen jetzt keine Personaldebatten führen."

Wagenknecht selbst befürwortet grundsätzlich die Doppelspitze. Es sei aber eine "offene Frage", wer dafür kandidiert. Sollte sie die Hand heben, müsste sie mit Widerstand von Gregor Gysi rechnen. Zu einer möglichen Ko-Vorsitzenden Wagenknecht befragt, antwortete er kürzlich der taz: "Wenn, dann müssen wir jemand finden, den die große Mehrheit der Fraktion akzeptiert." Doch gut die Hälfte der Fraktion zählt zu den Reformern - und die werden Wagenknecht als Chefin kaum akzeptieren.

Von ihnen ist zu hören, dass eine Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht als Zeichen für einen "fundamentalen Abgrenzungskurs" der Linken nicht vermittelbar wäre.

Die Fraktion wird am kommenden Dienstag aber zunächst entscheiden, ob sie überhaupt zwei Vorsitzende will. Falls ja, ist die Wahl der Doppelspitze für den 25. Oktober terminiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • N
    N.Nopp

    Sehe ich genauso wie "Dr.No".Sarah Wagenknecht ist wahrscheinlich die fähigste und ehrlichste Politikerin

    die es in Deutschland jemals gegen hat ( Petra Kelly von den damaligen "echten Grünen")fällt mir was Ehrlichkeit anging noch ein).

     

    Aber das schmeckt der Polit Elite nicht in Deutschland .Deshalb wird Sie und Ihre Partei ja auch von allen Seiten Diffamiert und als Schlimme Erzkommunistin abgestempelt.

    Ich empfehle hier div.Beiträge zur Finanzkrise auf You Tube z.B.die Rede vor dem Bundestag,(man achte auf die verschämten Gesichtsausdrücke der Regierungspolitiker)Ferner Die Plasweiler Gespräche bei den "Nachdenkseiten" unsw.die Liste würde sich meterweit weit fortsetzen lassen.Ganz zu schweigen von ihren hervorragenden Büchern die Sie geschrieben hat.Ich persönlich habe Sie vor ca. 4 Wochen in Göttingen

    reden gehört, bei einer Wahlveranstaltung und habe einen ganz hervorragenden Eindruck von Sarah Wagenknecht erhalten.Dies fing schon beim ankommen in Göttingen.an.

    Frau Wagenknecht kam nicht mit nobler Karosse daher gefahren.Nein, Sie fuhr mit dem ICE und kam dann vom Bahnhof mit dem Taxi zum Veranstaltungsort und lies sich auch genau so wieder abholen!...So wie das jeder normal sterbliche von uns auch getan hätte.Vielleicht sollten sich manch andere Politiker einmal ein Beispiel daran nehmen. Diese Frau hat das was alle anderen im Bundestag nicht haben. Das Zauberwort heißt "KLASSE"!

     

    Ich bin froh das es solch eine Politikerin in Deutschland gibt!

     

    Schönen Tag noch

  • J
    jürgen

    gutes buch von frau wagenknecht - dr.no! gute bestandsanalyse - mehr konzept wäre schön, aber da ist sie auf einem guten weg.

    aber was interessieren sich die journallien schon wieder für den tratsch. was geht sie die inneren diskussionen an (die linken diskutieren wenigstens).

    die nachrichten sollten sich mal mehr auf das be-richten konzentrieren und nicht auf das vor-richten, an-richten oder gar richten.

    zum glück soll sich ja ein wandel im journalismus vollziehen - wikipedia: "Umgekehrt stieg der Anteil der Journalisten, die "möglichst neutral und präzise informieren" wollen von 74 auf 89 Prozent. Der Anteil der Journalisten, der "komplexe Sachverhalte erklären und vermitteln" wollen, stieg von 74 auf 80 Prozent und jener, welche "die Realität genau so abbilden wollen, wie sie ist", von 66 auf 74 Prozent."

  • B
    broxx

    Gute Idee diese Stalinistin zu nehmen. Dann geht die Linke ihrer Versenkung entgegen.

  • R
    reblek

    "Wagenknecht sei nach Gysi und Lafontaine die beliebteste PolitikerIn der Linken..." - Bravo, ein großes Binnen-I, weil Frauen und Männer gemeint sein sollen. Die in Wagenknecht.

  • DA
    Der Analogist

    Herr Ernst soll nicht diskutieren, er soll Sahra Wagenknecht einfach akzeptieren.

     

    Machen, nicht reden!

  • V
    vic

    Glückwunsch.

    Sahra Wagenknecht ist das Beste, das die Linke zu bieten hat.

    Wer anderer Meinung ist, dem rate ich mal ein`s ihrer Bücher zu lesen.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Dann können ja Sarah und ihre Freunde weiter von einem ganz anderen Kommunismus träumen, wie er noch nicht da gewesen ist. Da frage ich mich, warum andere nicht von einem ganz anderen Faschismus träumen dürfen? Wäre doch dann auch legitim, oder nicht? Ist doch beides eine gute Sache ... aus der eigenen Perspektive betrachtet, aber nicht aus der der Opfer.

  • S
    systemix

    Es ist herrlich, wie westdeutsche Medien auf Sahra Wagenknecht herumhacken. Sie gibt so ein Denkmal für das "Böse", den ewigen Kommunisten, der im Untergrund wühlt, ab.

     

    Nun muss man ja auch die Medien verstehen, denn mit dem Jahr 1989 ging ja auch ein Lieblingsfeind verloren. Neun Jahre später habe ich die Politikerin auf dem Medienspektakel in Suhl kennen gelernt. Es hat mir eine diebische Freude bereitet ihren Thesen zu lauschen, die nun wirklich nicht neu waren. Ihre Überzeugungen gehörten zum Repertoire eines jeden Jusos aus dem Unterbezirk Vorharz, allerdings lagen zwanzig Jahre dazwischen.

     

    Die Linke braucht solche Menschen wie Sahra Wagenknecht, denn die damaligen Jusos sind zu stinknormalen, übelriechenden Sesselpupsern mutiert. Von Letzteren gibt es nun wirklich genug.

  • DN
    Dr. No

    Frau Maier, ich empfehle Ihnen, das neueste Buch von Frau Wagenknecht zu lesen: "Freiheit statt Kapitalismus". Dort knüpft sie bei Ludwig Erhard und Walter Eucken an. Reformer? Das ist ein Etikett, das die Mainstream Medien (auch die taz) Politikern anheften, die sie mögen.

     

    Frau Wagenknecht ist eine der stärksten Figuren, die in der politischen Landschaft zu finden ist.

     

    Allerding fände ich es schade, wenn sie für einen solchen Posten kandidierte. Sie sollte sich als Kopf der Entwicklungsabteilung bei den Linken eher um Konzepte kümmern.