piwik no script img

Frührentner in DeutschlandRuhestand mit Abzügen

Nicht einmal die Hälfte aller Arbeitnehmer arbeitet bis zum regulären Rentenalter - und akzeptiert dafür deutliche Abschläge. In Zukunft wird es noch mehr Frührentner geben.

Durchhalten bis zum Ende? Nur die wenigsten Arbeitnehmer schaffen es. Bild: ap

Jahrelang wurde über sie gestritten, ab Januar kommt sie. Die Rente mit 67 wird nun schrittweise eingeführt. Was bedeutet diese Reform für die künftigen Rentner?

Um diese Frage zu beantworten, ist keine Kristallkugel nötig. Denn die Deutsche Rentenversicherung liefert jedes Jahr statistische Zeitreihen, die mehrere hundert Seiten umfassen. Und diesen Daten ist zu entnehmen: Die Rente mit 67 wird für sehr viele Ältere eine weitere Rentenkürzung bedeuten.

Schon jetzt erreicht nicht einmal die Hälfte aller Arbeitnehmer das reguläre Rentenalter von derzeit 65 Jahren. Stattdessen verabschieden sie sich vorzeitig in den Ruhestand - und müssen dafür deutliche Abschläge akzeptieren.

Im Jahr 2010 wechselten genau 673.546 Menschen in die reguläre Altersrente. 47,5 Prozent mussten einen Abzug hinnehmen, der im Durchschnitt 113 Euro im Monat betrug. Also blieben noch rund 797 Euro netto übrig, wenn man die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abrechnet, die Rentner zahlen.

Hinter diesen Durchschnittswerten verbergen sich allerdings große Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Obwohl auch bei den Männern 43,4 Prozent eine Frührente beantragen, erhalten sie nach den Abzügen im Durchschnitt noch immer 1.024 Euro im Monat. Bei den Frauen, von denen 51 Prozent in Frührente gehen, sind es hingegen nur 633 Euro.

Abschläge beginnen mit Rot-Grün

Den Zeitreihen ist auch zu entnehmen, dass die hohen Abschläge erst mit der rot-grünen Bundesregierung einsetzten. Zu Zeiten von CDU-Kanzler Helmut Kohl, im Jahr 1998, mussten erst 1,5 Prozent aller Rentner Abzüge hinnehmen. 2005, am Ende von Rot-Grün, waren es dann schon 41,2 Prozent.

Rente im Jahr 2012

Rente mit 67: Ab 2012 beginnt die schrittweise Anhebung der Altersgrenze: Wer 1947 geboren wurde und daher im kommenden Jahr 65 wird, muss einen Monat länger arbeiten. Für die folgenden Jahrgänge wird die Altersgrenze zunächst in Ein-Monats-Schritten, dann um jeweils zwei Monate erhöht. Die Jahrgänge 1964 und jünger müssen bis 67 arbeiten. Sonst drohen Abzüge.

Beiträge: Der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung sinkt von 19,9 auf 19,6 Prozent. Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden dadurch nach Angaben der Bundesregierung um insgesamt 2,6 Milliarden Euro entlastet.

Zusatzrente: Wer ab 2012 eine Riester- oder Rürup-Rente abschließt, bekommt erst ab 62 die volle Zusatzrente ausgezahlt, 2 Jahre später als bisher.

Hinzu kommt, dass viele Rentner es gar nicht bis zur normalen Frührente schaffen, sondern bereits vorher krank werden und eine sogenannte Erwerbsminderungsrente beantragen müssen. Dies waren 2010 weitere 182.678 Menschen. Von ihnen mussten 96,3 Prozent Abschläge akzeptieren. Im Durchschnitt wurden 77 Euro abgezogen, so dass sie am Ende 604 Euro pro Monat erhielten.

Mit der Rente mit 67 wird sich das Problem verschärfen, dass viele Ältere Abzüge hinnehmen müssen. Denn es ist nicht damit zu rechnen, dass ab 2012 plötzlich alle Arbeitnehmer länger arbeiten - stattdessen dürfte sich oft nur die Zeit ausweiten, die bis zur regulären Rentengrenze überbrückt werden muss.

Wie illusorisch eine Rente mit 67 derzeit ist, zeigt sich auch an den offiziellen Statistiken zur Erwerbsarbeit: Von den 60- bis 64-Jährigen hatten 2009 nur 23,4 Prozent eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, wie sich einer Studie der Bundesregierung entnehmen lässt. Viele arbeiteten schon Teil-, nur etwa 18 Prozent Vollzeit. Dies waren vor allem Akademiker, die deutlich länger durchhalten als Bauarbeiter oder Pflegepersonal.

Rentner mit Minijobs

Diese Daten der Bundesregierung scheinen sich zunächst mit einer anderen offiziellen Erhebung zu beißen. Wer ins Statistische Jahrbuch sieht, wird dort feststellen, dass von den 60- bis 65-Jährigen inzwischen 41 Prozent "erwerbstätig" sind. Doch die Differenz lässt sich recht einfach erklären: Statt einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen, finden sich gerade bei den Älteren viele Minijobber - was aber bekanntlich nicht zu einer auskömmlichen Rente führt.

Bei all diesen Statistiken handelt es sich jedoch um eine heutige Momentaufnahme - während die Rente mit 67 ja ein Projekt ist, dessen Einführung sich bis zum Jahr 2029 hinzieht. Die Frage ist also: Wie wird sich die Erwerbstätigkeit der Älteren künftig entwickeln?

Sämtliche Projektionen kommen zum gleichen Ergebnis: Bald wird jede Arbeitskraft gebraucht, um den demografischen Wandel zu kompensieren. So hat das Nürnberger Instititut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) errechnet, dass bis 2025 bereits 6,7 Millionen Menschen auf dem Arbeitsmarkt fehlen werden, weil die Babyboomer in Rente gehen und kaum Jugendliche nachdrängen. Auch wenn es schwer vorstellbar scheint: Bald herrscht Vollbeschäftigung in Deutschland - auch für ältere Arbeitnehmer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • G
    Grünspecht

    Es wird auch künftig keine Vollbeschäftigung in Deutschland geben. Denn die Arbeitgeber können sich weltweit die billigsten und ihrer Ansicht nach geeignetsten Arbeitnehmer aussuchen (Stichwort: Globalisierung!)

     

    Deutschland ist ein Einwanderungsland, deshalb ist der demographische Wandel unwichtig!

     

    Wenn immer weniger junge Deutsche nachwachsen, dann kommen eben mehr junge Arbeitskräfte aus dem Ausland.- Da haben alte Menschen in Deutschland überhaupt nicht mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sowas zu erzählen ist einfach verantwortungsloser Quatsch!

     

    Es muss schnell ein existenzsicherndes bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden, damit die Leute - insbesondere auch die Alten, in Deutschland nicht hungern bzw. sich ihr Essen bei den geminnützigen Tafeln zusammen betteln müsssen.

     

    Frauen mit ihren lächerlich niedrigen Durchschnittsrenten sind am schlechtesten dran.

     

    Junge Frauen werden gezielt vom Arbeitsmarkt verdrängt, in dem z.B. keine ausreichende Kinderbetreuung angeboten wird.

     

    Außerdem: Wer einmal draußen war aus dem Arbeitsleben, wird kaum jemals mehr im ersten Arbeitsmarkt eingestellt. Ab 40 jahren ist es meist vorbei. Und da sollen die leute bis 67 arbeiten? das ist alles total absurd!

  • A
    andreas

    @Auch wenn es schwer vorstellbar scheint: Bald herrscht Vollbeschäftigung in Deutschland - auch für ältere Arbeitnehmer.

     

    Völliger Unsinn ! Da der Arbeitsmarkt in Deutschland sich nicht auf Deutschland beschrängt sondern mindestestens auf die gesamte EU27 ,werden immer genügend junge Leute den "ALTEN" den Arbeitsplatz streitig machen.

    Und wenn es nicht die EU ist dann eben Nordafrika oder die ganze Welt. Es gibt keine Grenzen und Schutzzonen auf dem Arbeitsmarkt mehr, was genau dem Willen der neoliberalen Grünen entspricht.

    Als alter Mensch hast du auf absehbare Zeit kaum eine Chance auf einen regulären Arbeitsplatz !

    Es sei denn du bist Politiker/Beamter/Vorstandsmitglied eines Konzerns...

    Niedrigqualifizierte sind auf dem Weltmarktplatz der billgen Arbeit nur Massenware :0(

  • B
    Boiteltoifel

    Hat mal jemand überlegt, warum die Rentenkassen nach 20 Jahren Kohl-Regierung geplündert waren und die Rot-Grünen dann drastische Sparmaßnahmen einführen mußten?

     

    Rot-Grün kann aber für die Einführung der 400-Euro-Jobs gedankt werden. Eine prima Gelegenheit für Betriebe, viele rentenbeitragspflichtige Arbeitsplätze zu "Mini-Jobs" umzugestalten. Wie günstig. Allerdings nicht für die Rentenkassen und die Rentner...

  • M
    menschenfreund

    Ach ja, man hat's gemerkt. Zumindest teilweise. Der Rest folgt schon noch.

    Es begann doch schon mit "Birnes" widerlicher Neiddebatte und seiner erfolgreichen Kampagne zur Entsolidarisierung.

    Gefolgt vom Gasmann und seiner Bande, die das Volksverdummungs- und -verarmungskonzept auf die Spitze trieben.

    Nun ist Calamity Angie ebenso erfolgreich in die Fußstapfen ihrer Vorreiter getreten. Weiteres geht schon aus dem Beitrag über Arbeitslose direkt in Harz IV hervor.

    Die Ausplünderungen der von Arbeitnehmern mühevoll angefüllten Staatskassen geht weiter, zugunsten einer Wirtschaft, die sich „vom Staat“ nicht nur die Arbeitslöhne subventionieren läßt, sie sorgt auch dafür, daß die systematische Verarmung im Alter fortgesetzt wird.

    Das Ganze nennt man gegenüber allen, die es nicht mitbekommen haben was läuft „soziale Marktwirtschaft“.

    Sollte die Bundesdeutsche Infrastruktur einmal so auf dem Hund sein, daß man sie nicht mehr akzeptabel nennen kann, nun, dann geht man eben nach China, Indien usw.….

    Ich wünsche ein gutes neues Jahr!

  • A
    Anita

    Wird deshalb nicht die Rente mit 67 eingefuehrt?

    Damit eben weniger Leute das regulaere Rentenalter als Arbeitnehmer erleben und man de facto die Renten kuerzen kann.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Ob mit oder ohne Wirtschafts- und Absatzkrise, die wissenschaftlich-technologische Entwicklung der Produktivität reduziert den Umfang in der Anwendung der menschlichen Arbeitskraft.

     

    Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit zur drastischen Reduzierung der Arbeitszeit (30-Std.-Wo.), um auch für große Teile der Bevölkerung eine Existenzsicherung zu erhalten. -

     

    Möchte die bundesdeutsche Bevölkerungsmehrheit auch einen qualitativen Lebensstandard für alle Menschen in der bestehenden Reichtums-Gesellschaft erhalten [?], dann stellt sich die Frage nach den Eigentumsverhältnissen an den bereits vorhandenen gesellschaftlichen Produktionsmitteln; - die sich allerdings im Privateigentum bzw. im Eigentum von Aktiengesellschaften (u.a.m.) befinden.

     

    Trotz der realen weltweiten Niederlage, des so genannten Realsozialismus, stellt sich die Frage, nach dem Gemeineigentum an den vorhandenen gesellschaftlichen Produktionsmitteln. - Diese sozial-ökologisch-ökonomische Frage kann nicht auf der Grundlage der Fortschreibung des Privateigentums an den Produktionsmitteln gelöst werden.

     

    Jede sozial-ökologisch-ökonomische Verweigerung führt hier, - nicht nur in Deutschland und EU-Europa, in den erweiterten Sozialdarwinismus (Hartz-IV und "Rente mit 67" ist nur ein Anfang) und modifizierten Kapital-Faschismus.

  • DH
    Der Heinz

    "Bald herrscht Vollbeschäftigung in Deutschland" - das glaube, wer will. arbeitet die autorin für die regierung?

    vergesst bitte nicht, dass sich bei fehlenden arbeitskräften die menschen aussuchen können und werden, wo sie arbeiten wollen! das lohndumping und arbeitsbedingungen á la lidl, altersheim und gestronomie haben spätestens dann ein ende.

    zieht euch warm an, ihr arbeitgeber!

  • DH
    Der Heinz

    wir erhöhen das renteneintrittsalter und plötzlich erhöht sich die zahl der frühverrentungen. mad world.

    man weiß doch ganz genau, wer sich da früher als andere auf seinen fetten hintern setzt und die fußgängerzonen verstopft. die vielzitierte kassiererin vom netto wird es ganz sicher nicht sein...

  • FE
    Frau Edith Müller

    Diese Leute wählen doch seit Jahren im ping pong immer die gleichen Parteien, also soll man sich jetzt nicht beschweren. Ich weiß auch, dass einem Beamten nach bereits 5 Jahren eine Pension von um die 1.360,- Euro

    "zusteht"; das werden auch ganz viele andere Nichtbeamte wissen und sagen seit Jahren nichts dazu. Man weiß doch auch, dass ein normaler Arbeiter für Hans Eichels Pension 450 Jahre arbeiten müsste und keiner sagt etwas dazu. Nu, dann muss man wohl mit diesen Ungerechtigkeiten leben. Oder man besinnt sich seiner Stärke, wählt anders oder stürmt die Paläste.

  • K
    Klima

    Die Renten sind ja auch nicht für Frührentner konzipiert. Die Menschen werden ja auch nicht von Jahr zu Jahr gebrechlicher - im Gegenteil. Frührente sollte eine Ausnahme sein und nicht die Regel. Ohne Abzüge würden sich wohl 70% (so eine vor kurzem veröffentlichte Umfrage) in die Rente bis (durschschnittlich) 80 verabschieden. Das kann es wohl auch nicht sein.

  • T
    texter

    Als Koch habe ich eine statistische Lebenserwartung von nunmehr 56 Jahren, statistisch gesehen ist es mir also egal ob ich nun mit 65 Jahren einen Anspruch auf Rente habe oder erst mit 67 Jahren, zumal die eingezahlten Beträge eh nicht ausreichen würden und ich mit Harz7 oder ähnlichem aufstocken müsste. Mein Fazit daraus: Früh genug einen winterfesten Schlafsack kaufen und sich schon mal nen regensicheren Platz suchen.

    schöne Lebensarbeitszeit noch!!!

  • PR
    Paul Reinhold

    Wir sind alledings auch selber mit daran Schuld. In Frankreich brennen allein bei der Ankündigung "Rente mit 62" Barrikaden, und hierzulande wehrt sich überhaupt keiner.

  • K
    kroko

    ... ich sehe es mit wachsendem Erstaunen, die einfachen Handwerker, die hier im westlichen Umfeld sich in Rente begeben wollen und noch keine 65 Jahre alt sind, haben mit horrenden Abzügen zu leben.

     

    Dabei kriegen sie nur eine Rente von ca 1.100 Euro und sollen damit auch noch den Ehepartner mit ernähren.

     

    Schöne Aussichten