Frühjahrsaufschwung am Arbeitsmarkt: Weniger Arbeitslose, mehr Arbeitswillige
Frühjahr und Wirtschaftsaufschwung bringen neue Jobs. Aber jeder Zehnte zwischen 15 und 74 Jahren will mehr arbeiten, als er das jetzt tut. Frauen fühlen sich stärker unterbeschäftigt als Männer.
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BERLIN taz Wegen des üblichen Frühjahrsaufschwungs und der anziehenden Konjunktur gibt es weniger Arbeitslose. Im Mai waren 88.000 weniger Menschen als im Vormonat erwerbslos und 257.000 weniger als vor einem Jahr, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg am Mittwoch mitteilte. Insgesamt waren 3,15 Menschen auf Jobsuche. Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,5 Prozent.
"Der Arbeitsmarkt zeigt sich stabil positiv, aber noch nicht dynamisch", kommentierte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Zahlen. Von der aktuellen Entwicklung profitieren laut von der Leyen sowohl gut ausgebildete Fachkräfte, die in der Wirtschaftskrise seit 2008 ihren Job verloren haben, als auch Langzeitarbeitslose. "Damit bestätigt sich die Befürchtung vieler Experten nicht, dass Langzeitarbeitslose wegen der starken Konkurrenz gut qualifizierter Kurzzeitarbeitsloser in der Erholungsphase kaum Chancen auf Beschäftigung haben", sagte die Arbeitsministerin: "Die Entwicklung ist ermutigend. Wir sind auf dem richtigen Weg."
Eine am Dienstag vorgestellte Untersuchung des Statistischen Bundesamtes zeichnet allerdings ein anderes Bild. Danach fühlen sich derzeit 8,6 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 74 Jahren unterbeschäftigt: Sie würden gern mehr arbeiten, als sie das jetzt tun (dürfen). Das trifft auf mehr als jeden zehnten Erwerbsfähigen zwischen 15 und 74 Jahren zu.
Konkret heißt das: Fast 3,2 Millionen sind erwerbslos und 4,2 Millionen unterbeschäftigt. 1,2 Millionen Menschen zählen zur sogenannten stillen Reserve. Das sind Frauen und Männer, die "weder erwerbstätig noch erwerbslos sind", wie das Statistische Bundesamt es kryptisch ausdrückt. Also Personen, die zum Beispiel dem Arbeitsmarkt kurzzeitig nicht zur Verfügung stehen, weil sie krank sind oder Angehörige betreuen müssen.
Dazu zählen unter anderem Frauen und Männer, die aus "persönlichen und familiären Verpflichtungen" nicht arbeiten können: Manche von ihnen haben keinen Kita-Platz für ihre Kinder, andere pflegen Angehörige. Sie machen einen Anteil von durchschnittlich 16 Prozent aus: 30 Prozent der Frauen und 4 Prozent der Männer. Generell ist der Wunsch, mehr zu arbeiten, bei Frauen (12,1 Prozent) stärker ausgeprägt als bei Männern (9,8 Prozent). Grund: Frauen arbeiten öfter als Männer Teilzeit.
Eine Untergruppe der stillen Reserve sind Martina Renner vom Statistischen Bundesamt zufolge die "Entmutigten": "Diejenigen, die erst gar nicht nach Arbeit suchen, weil sie glauben, dass sie sowieso keine mehr bekommen. Insgesamt beträgt das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial bezogen auf alle Erwerbspersonen über 20 Prozent.
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