Frühchen-Tod in Berlin: Keime, die sich ähneln
Die Bakterien, an denen Frühchen in der Berliner Charité und im Herzzentrum erkrankten, ähneln sich. Die Keime könnten hin- und hergetragen worden sein.
BERLIN taz | Woran genau das Anfang Oktober im Berliner Herzzentrum operierte und an Serratien-Keimen erkrankte Frühchen gestorben ist, ist weiter unklar. Rechtsmediziner aus Nordrhein-Westfalen hatten das bereits am 12. Oktober in Berlin bestattete Baby am Montag exhumiert und obduziert. „Erste Ergebnisse zur Todesursache werden in Kürze erwartet“, sagte ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft am Dienstag. Ermittelt werde gegen unbekannt wegen fahrlässiger Tötung.
Das Kind war im September zunächst in der Berliner Charité behandelt und dann ins Herzzentrum verlegt worden. Dort verstarb es am 5. Oktober. Dass es mit Serratien infiziert war, wurde erst nach seinem Tod festgestellt. Strittig ist seither, woran genau das Kind starb.
Unterdessen ging die Suche nach der Infektionsquelle für die anderen an der Charité und im Herzzentrum erkrankten Kinder weiter. Eine Sprecherin des bezirklichen Krisenstabs sagte der taz: „Bei den Serratien-Befunden am Herzzentrum ab Mitte September handelte es sich um den gleichen genetischen Fingerabdruck wie bei den Serratien an der Charité.“
Diese Übereinstimmung spricht nach Einschätzung von Hygieneexperten dafür, dass die Erkrankungen möglicherweise auf dieselbe Infektionsquelle zurückzuführen sein könnten. Der Keim wäre dann zwischen den Kliniken hin- und hergetragen worden. Dagegen spricht, dass nicht alle mit Serratien befallenen Babys aus dem Herzzentrum zuvor Patienten der Charité waren.
„Das Personal wurde nicht untersucht“
Deren Ärztlicher Direktor, Ulrich Frei, hatte am Montag im Berliner Abgeordnetenhaus gesagt, Serratien-Keime seien am Beatmungsgerät eines Patienten nachgewiesen worden. Dort allerdings müssen sie irgendwie hingelangt sein – Bakterien siedeln nicht an Gegenständen, sondern in Lebewesen.
Die Charité wie das Herzzentrum wollen ihr medizinisches Personal indes nicht untersuchen lassen. Begründet wird dies damit, dass Serratien keine meldepflichtigen Keime seien – obgleich sie zumindest für Frühchen lebensbedrohlich sein können. Unterstützung kommt vom Krisenstab: „Das Personal wurde nicht untersucht, da es sich um einen Keim der normalen Darmflora handelt.“
Am Dienstag waren laut Charité noch sechs erkrankte und sechs mit dem Keim besiedelte Kinder auf den Frühchenstationen. Ihr Zustand sei stabil. An welchen Infektionen genau die Babys litten, wurde mit Hinweis auf „patientenbezogene Daten“ nicht mitgeteilt. Aus Klinikkreisen verlautete, die Frühchen hätten offenbar eine Blutvergiftung. Deren Spätfolgen können schwerwiegend sein; ihr Ausmaß ist oft erst Jahre später erkennbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?