Froome dominiert Tour de France: Pferde-Lunge und Riesen-Herz
Bereits auf der ersten Bergetappe der Tour de France fährt Chris Froome allen davon. Seine Einmannshow erinnert an Doping-Großmeister Lance Armstrong.
PLATEAU DE BONASCRE taz | In den Pyrenäen fährt Christopher „Chris“ “Froome bei der Tour de France seine Gegner in Grund und Boden. Nur sein Sky-Teamkollege Richie Porte kann ihn auf der ersten schweren Bergetappe folgen. „K.o. in der 1. Runde“, fasst die französische Sportzeitung L’Equipe die Ereignisse trocken zusammen.
„Wir müssen unsere Ziele modifizieren. Wir wollen zwar noch eine Rolle spielen, aber wir werden diese Tour definitiv nicht mehr gewinnen“, sagte Jim Ochowicz, General Manager des Rennstalls BMC. Dessen auf Unternehmen Toursieg gepolte Doppelspitze Cadel Evans und Tejay Van Garderen waren vier beziehungsweise zwölf Minuten später als Froome im Skigebiet Ax-3-Domaines über den Zielstrich geschlichen.
Froomes Performance erinnerte diejenigen, die länger bei der Tour de France sind, unweigerlich an Übungen des Radsport-Cowboys Lance Armstrong. Auch der pflegte in besten Zeiten den Rest des Feldes gleich zur ersten Bergetappe zu demoralisieren. Sky-Manager Dave Brailsford war bei den Vergleichen aber auf der Hut. „Armstrong? Der hat das doch gedopt gemacht, oder?“, frage er zurück und stellte klar, dass seine Jungs „100 Prozent sauber“ seien.
Er hatte immerhin ein Einsehen, dass ein Dopingverdacht angesichts der gezeigten Leistung vollauf verständlich sei. Froome legte die drittbeste Zeit hin, die jemals bei der Tour de France auf diesem Anstieg gefahren wurde. Er war nur wenig schlechter als Armstrong im Jahre 2011 und etwas besser als Jan Ullrich zwei Jahre später. „Wenn die Vergangenheit Gegenwart und Zukunft mitformt, dann ist es ganz natürlich, dass man diese Fragen stellt“, meinte er. Er bat aber darum, „die Pro und Kontras abzuwägen“.
Jede Menge Zellkraftwerke
Der Gefallen sei ihm getan. Pro Doping ließe sich anführen, dass die Muskelkraft, die Froome trotz erstaunlicher Magerkeit aufbringen konnte, prima mit den Effekten des Antifettsucht-Medikaments Aicar in Deckung zu bringen ist. Aicar lässt – wie das ähnlich wirkende, aber Krebsrisiken beinhaltende Präparat GW1516 – „die Mitochondrienzahl, also die Anzahl der Kraftwerke der Muskelzellen, steigen und führt zu einem geringeren Fettaufbau“, erklärte vor Beginn der Tour der Kölner Dopinganalytiker Mario Thevis.
Es gibt aber auch alternative Erklärungen. Das Training nach der „Reverse Periodization“-Methode, die der frühere Schwimmtrainer Tim Kerrison bei Sky eingeführt hat. Dabei werden zunächst große Kraftintensitäten trainiert. In der Folgezeit wird versucht, dieses Niveau über einen immer länger werdenden Zeitraum zu halten und die Ausdauer zu verbessern. Das könnte begründen, warum Froome schon früh in der Saison bemerkenswerte Erfolge erzielte. „Das ist eine von mehreren interessanten Trainingsmethoden, die wir auch studieren. Es ist nicht neu. Aber es kommt darauf an, ob man es auch praktiziert“, sagte BMC-Mann Ochowicz.
Sein Kollege Brailsford wies noch auf die „genetischen Vorteile Froomes“ hin: „Er hat ein großes Herz und riesige Lungen“, meinte der Sky-Boss. „Chris hat sich früher sehr tief belastet und war deshalb auch oft kaputt. Diese Diskontinuitäten hat er abgestellt, als er sich an Bradley Wiggins orientierte. Der ist ein Meister des dosierten Krafteinsatzes.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos