Naturschutz versus Stadtentwicklung: Frösche sind Autos im Weg
Durch ein landesweit bedeutendes Amphibiengebiet will Oldenburg eine Hauptverkehrsstraße bauen. Jetzt rufen Aktivist*innen zum Widerstand auf.

Die Stadt plant genau in diesem Gebiet eine 28 Meter breite und mehr als zwei Kilometer lange Hauptverkehrsstraße. Die Straße ist Teil des „Masterplan Fliegerhorst“ und soll das geplante Neubaugebiet auf dem angrenzenden ehemaligen Militärflughafen mit dem Westen der Stadt verbinden.
„In Zeiten von Klimakrise und Artensterben eine Straße durch so ein schützenswertes Gebiet zu bauen – das geht nicht“, sagt Carlsson Skiba vom Bündnis „Wald Wasser Wiesen Retten“, das sich seit mehreren Jahren gegen den Bau der Straße einsetzt. „Es ist Oldenburgs wertvollstes Amphibiengebiet und als,landesweit bedeutend' klassifiziert worden.“ Die Oldenburger Naturschutzbehörde bewertete den Heidbrook bereits im Jahr 1994 als „landschaftsschutzgebietswürdig“, Teile erfüllten die Vorraussetzungen eines Naturschutzgebiets.
Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten
Die Straße, so Skiba, würde weite Gebiete des Heidbrooks zerstören und den Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten zerschneiden, wodurch einige Arten aussterben könnten. Außerdem sei der Boden hier besonders kohlenstoffreich, dieses gebundende CO2 würde beim Bau der Straße in die Atmosphäre entweichen. Das Bündnis „Wasser Wald Wiesen Retten“ setzt sich darum gegen den Bau der Straße ein. Sie wollen, dass der gesamte Heidbrook als Naturschutzgebiet eingestuft wird.
Oldenburg will bis zum Jahr 2035 klimaneutral sein, das hat der Rat der Stadt im April 2021 beschlossen. Dazu gehört auch, den Autoverkehr zu verringern. Wie passt die neue Straße in das Klimaschutzkonzept?
Das Hauptargument für die Straße: Auf dem 2006 aufgegeben Luftwaffen-Fliegerhorst soll ein neuer Stadtteil für 3.000 Menschen entstehen und darum müsse die bereits bestehende Hauptverkehrsstraße „entlastet“ werden. Nach der erfolgreichen Klage eines Anliegers vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht musste die Stadt den Bebauungsplan entsprechend anpassen.
Laut der aktualisierten Fassung ist das Hauptziel der „Entlastungsstraße“, neue Gewerbegebiete zu erschließen. Daneben müsse die „Lücke“ im Straßennetz geschlossen werden. Eine Querverbindung für Busse, Fahrräder und Fußgänger*innen gibt es bereits. Über den neuen Bebauungsplan entscheidet der Rat der Stadt voraussichtlich im Herbst. Sowohl der Anlieger, der bereits einmal vor Gericht zog, als auch der Naturschutzbund Nabu haben Klagen angekündigt, sollten die Ratsmitglieder erneut für den Bau der Straße stimmen.
Carlsson Skiba, Bündnis „Wald Wasser Wiesen Retten“
Neben der CDU befürwortet auch die SPD von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann den Bau der Straße und stellt sich damit gegen ihren grünen Bündispartner.
Auf einen politischen Kurswechsel oder Erfolg auf juristischem Weg wollen die Gegner*innen der Straße nicht tatenlos warten. Seit einigen Wochen blickt von einem Transparent am Rande des Heidbrooks mit grimmigem Blick die Romanfigur Heidi herab – schwarz maskiert und mit orangenem Kreuz in der Hand. Sie ist das Symbol der Guppe „Heidi bleibt“. „Heidi lässt ab sofort Schnucki zu Hause und geht in den aktiven Widerstand“, kündigten die Aktivist*innen im März dieses Jahres an.
„Mit Baumhäusern und Waldbesetzung werden wir die Straße notfalls verhindern“, erklärt einer von ihnen, der sich, wie Heidis Opa, Alpöhi nennt. „Diese Straße wird einfach nicht benötigt und zerstört ein wertvolles Grüngebiet in Oldenburg.“ Es gebe zwar noch die Hoffnung, dass sie nicht gebaut wird: „Aber wir müssen eine Alternative vorbereiten, falls der politische Weg scheitert.“ Der nächste Schritt ist ein Protest-Camp mit Infoveranstaltungen und Workshops an diesem Wochenende.
Großrazzia auf dem Fliegerhorst-Gelände
Auf dem Fliegerhorst, wo der neue Stadtteil entsteht, scheint der Umweltschutz in der Vergangenheit auch eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Hier wurde tonnenweise kontaminiertes Material verbuddelt. Bei einer Großrazzia der Staatsanwaltschaft Oldenburg wurden die militärischen Altlasten gefunden. Mehr als 20 Millionen Euro hat die Konversion des ehemaligen Militärgeländes in ein Wohngebiet bislang bisher gekostet (taz berichtete). Und jetzt laufen Ermittlungen wegen Umweltverstößen und Korruption.
Das Bundesbauministerium zeichnete den Oldenburger Fliegerhorst dieses Jahr für seine „klimasensible Quartiersentwicklung“ aus. Das Ministerium hob trotz der geplanten neuen Straße besonders die „autoarme“ Planung des Stadtteils hervor. Ein Highlight seien die „Quartiersgaragen“. Eine von ihnen ist schon in Betrieb. Der graue Betonbau bietet auf sechs Etagen Platz für über 150 Autos. Die „Quartiersgarage“ ist ein Parkhaus.
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