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Friedrichshain-KreuzbergWeniger Geld für die Jugend

Der Bezirk muss sparen. In der Jugendhilfe sollen darum alle öffentlichen Einrichtungen an freie Träger übertragen werden. Das betrifft auch den Verein "Musikalischen Aktion".

Auf den Fluren laufen Jugendliche mit Ghettoblastern. An den Wänden hängen Schwarzweißfotos von kleinen Mädchen in weißen Prinzenssinenkostümen vor Plattenbauten vom Kinderkarneval im Mai. "Und, weißt du schon, wer gestern hier unten eingebrochen ist", fragt Wolfhard Schulze. Der geschäftsführende Vorsitzende der Einrichtung am Mehringplatz klopft einem jungen Mann im Kapuzenpulli auf die Schulter. "Ja, ich klär das mit seinen Brüdern."

Die Kreuzberger Musikalische Aktion (KMA) ist ein Verein, der verschiedene Einrichtungen betreibt. Er ist sein eigener Träger, nur drei MitarbeiterInnen sind vom Bezirk bezahlt und im öffentlichen Dienst. Die sich abzeichnenden Einsparungen des Bezirks seien für die Arbeit des Zentrums besorgniserregend, sagt Schulze. "Die drei aus dem öffentlichen Dienst werden wohl gehen, aber es ist nicht klar, ob wir die Stellen neu besetzen können."

Dabei sei eine Einrichtung wie die KMA auf Konstanz und Vertrauen angewiesen. "Jede Woche kommen mehr als 500 Jugendliche zu uns. Gerade die Arbeit mit vorbestraften und kriminellen Jugendlichen erfordert eine große Betreuung."

Zwei Millionen Euro fehlen dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im kommenden Haushaltsjahr für Jugend, Familie und Schule. Es werde nicht weniger Geld zur Verfügung gestellt, aber die Kosten seien gestiegen, erklärt Bezirksstadträtin Monika Hermann (Grüne). Um zu sparen, sollen alle in öffentlicher Hand befindlichen Jugendeinrichtungen an freie Träger übertragen werden. "Von den 27 Jugendeinrichtungen sind 13 bei freien Trägern, neun in öffentlicher Hand, fünf werden zum Teil von freien Trägern und zum Teil vom Bezirk getragen", so Hermann. Sie verspricht: "Wir werden weder im Personal kürzen, noch Einrichtungen schließen."

Von den Umstrukturierungen wären 50 MitarbeiterInnen betroffen: Sie müssen entweder aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden oder ihre Arbeit in den Einrichtungen aufgeben. Aber Herrmann verspricht, es werde sich nichts verschlechtern.

Sparen kann der Bezirk auf diese Weise weil eine Arbeitsstunde im öffentlichen Dienst 50 Euro kostet, bei freien Trägern 30, wie Schulze erklärt. Die ehemaligen Bezirksmitarbeiter kommen dann in den Stellenpool. Dann bezahlt ihr Gehalt der Senat.

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8 Kommentare

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  • R
    revoluzer

    Auf die Anfrage an Frau Bluhm (Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales):

    “Ihr neuer Staatssekretär Rainer-Maria Fritsch hat als Finanz-Stadtrat von Mitte einen harten Spar-Kurs gefahren. Schulstandorte und Jugend-Projekte stehen dort vor dem Aus. Müssen sich Hartz-IV-Empfänger in Berlin nun wärmer anziehen?”

    antwortete diese knapp in einem Satz:

    “Rainer Maria Fritsch hat im Jugendamt Mitte neue, effektive Strukturen etabliert und damit dafür gesorgt, dass das knappe Geld auch bei den Bedürftigen ankommt.”

     

    Naja, Frau Bluhm bringt eine frische Kraft mit: Der Jugend- und Finanzstadtrat von Mitte, Rainer-Maria Fritsch, wechselt als Bluhms Stellvertreter ins Ressort und soll die Verwaltung auf Vordermann bringen.

     

    Bluhm sagte dazu, man habe sich bei den Sozialausgaben

    und bei Hilfen zur Erziehung auf intensives

    Controlling verständigt.

    Offen ist, wie viel Geld dadurch gespart werden könne.

     

    Es wird hier mehr Geld für Kontrolle ausgegeben, als für Prävention. Unten kommt immer weniger an. Na für die kommenden Kontrolleure werden dann ein paar Mitarbeiter an der Basis eingespart. Alle Bezirke folgen dem Beispiel ganz brav.

    Jugendarbeit und Jugendhilfe wird abgewrackt. Dank der tollen Studie.

     

    Die Tage der Jugendsozialarbeit scheinen dahin zu gehen. Es trifft wie immer, die welche in der Gesellschaft eh schon benachteiligt sind. Kranke, Alte und unsere glorreiche Zukunft-die Jugend!

  • R
    rebellin

    ich finde es unerhört, wie hier das volk getäuscht wird...

    denn in den 50 euro sind auch alle anderen kosten des jugendamtes mit abgerechnet, welche bei freien trägern nicht sind...

    und es ist ja schön für den bezirk, wenn er dadurch denkt, etwas einsparen zu können... aber was der steuerzahler von einer sparpolitik hält, bei der am ende erheblich drauf zahlt, wird sich hoffentlich bei den nächsten kommunalwahlen zeigen...

  • E
    excalibur

    das mit den kosten, ist eine gewaltige täuschung. der leser bekommt eine auskunft, welche sich beim genaueren betrachten als ein falsche rechnung darstellt. die kosten der jugendhilfe steigen. das betrifft vornehmlich die pflichtleistungen. einen großen anteil haben dabei die hilfen zur erziehung. kinder,- und jugendarbeit ist zwar im kinder,- und jugendhilfegesetz verankert und sollte 10% der gesamten jugendhilfe ausmachen. sprich die finanziereung der kinder,- und jugendarbeit. leider war und ist es nie zurt erlangung der 10% gekommen.

    durch die kosten,- und leistungsrechnung wurde festgestellt, das eine von der kommune betriebene einrichtung teurer ist, wie eine vom freien träger betriebene einrichtung.

    ss werden hierbei sämtliche kosten der verwaltung auf die mitarbeiter, welche mit kindern und jugendlichn arbeiten, draufgerechnet.

    die verwaltung macht die kommunale kinder,- und jugendarbeit so teuer. zu bemerken sei aber, dass ein freier träger auch eine verwaltung besitzt. wenn es bald keine kommunalen einrichtungen mehr geben wird, wo werden die verwaltungskosten dann draufgerechnet.

    der aufgeblähte verwaltungsappperat sollte endlich verschlankt werden, dann gibt es auch mehr geld für die arbeit mit kindern, alten, behinderten etc.

    es darf nicht alles in einer privatisierung enden.

    der abbau der kommunalen einrichtung führt unweigerlich zu einer dumpingfianzierung der freien träger. irgendwann werden diese zu 20 Euro pro angebotsstunde finanziert. so wird es bald aussehen.

  • E
    Eiko

    Ich war sehr erfreut, dass sich trotz des schlechten Wetters so viele engagierte Menschen zusammengefunden haben um gegen diese politischen Machenschaften ihren Unmut zu äußern.

    Auch der von Friedrichshain-Kreuzberg gewählte Abgeordnete des Bundestages, Herr Ströbele (Grünen) war anwesend. Einige Mitstreiter der Demo, vorwiegend aus Friedrichshain-Kreuzberg, befragten ihn zu den geplanten Vorhaben der Einsparungen im Kinder,- und Jugendbereich, welche von der Jugenstadträtin Frau Monika Herrmann (Grünen) im Haushaltsplan enthalten sind.

    Herr Ströbele resignierte und äußerte sich dazu, dass er ein Veto, gegen die geplanten Kürzungen in den Berliner Haushalt, im Bundestag einlegt. Bemerkte aber auch, dass er als Abgeordneter nicht viel Einfluss hat, um etwas bewirken zu können. Was für mich wieder einmal die Sinnhaftigkeit der Wahlen anzweifeln lässt. Die über 45% Wählerstimmen für die Grünen und dem Abgeordneten für den Bundestag in Kreuzberg-Friedrichshain zählen nicht?

    Dann frage ich mich ernsthaft, wofür gehen wir noch wählen?

    Wie hieß die Parole dieser Demo: WIR SIND STARK - WIR SIND LAUT - WEIL IHR UNS DIE ZUKUNFT KLAUT!

    Ich bin der festen Überzeugung, dass der heutige Tag gezeigt hat, wir alle nehmen diesen SparUNSINN nicht hin. Die nächste Demo gegen den Sozialabbau wird größer. Bleiben wir dran!

    Und Für Herrn Ströbele habe ich einen Vorschlag; fangen Sie in ihrem Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg an, gegen die geplanten Sozialkürzungen einzutreten. Das wäre sehr glaubhaft!

  • C
    Che`

    Wenn Frau Hermann in ihren Statements gegenüber den Medien jedesmal behauptet, am Personal wird nicht gekürzt und die Einrichtungen bleiben bestehen, ist dies glatt eine Täuschung.

    Das Personal des Öffentlichen Dienstes wird in den Stellenpool des Senates versetzt und fällt damit im Bezirk weg! Mit dem Wegfall des Personals, wird auch keine Aufstockung des Personal bei Freien Trägern erfolgen. Sonst wäre es keine Einsparung, sondern ein Ausbau des Personals.

    Und es wird sich eine Menge nachteilig auswirken. Bei jeder Einsparung, egal in welchem Ausmaß, führt stets zu negativen Veränderungen. Ich sage bloß, soziale Vernetzungen, geführte Zusammenarbeit - sozialraumorientiertes Arbeiten.

    Das erwähnt Frau Herrmann in ihren Statements leider nie.

  • PD
    Pan Dora

    Es regt sich Widerstand: http://www.widerstand-berlin.de/.

    Heute Fahrradsternfahrd ab 16.00. Abschlußdemo ab 18.00 Uhr am Roten Rathaus

  • M
    Maik

    Hier wird kein Cent gespart. Denn was kaum einer weiß ist wie sich der Stundenlohn von einem freiem Träger (Mitarbeiter) bzw. von einen öffentlichen Träger (Mitarbeiter) berechnet. Daher will ich hier mal versuchen etwas Licht ins dunkle zu bringen. Und zwar ist ein öffentlicher Mitarbeiter deswegen so teuer, weil da z.B. folgende Kosten mit auf den Stundenlohn angerechnet werden. Gebäudemiete, Instandhaltungskosten, Betriebskosten, politische Kremien u.s.w. . All dies wird bei einen öffentlichen Träger nicht mit berechnet, aber die Kosten bleiben trotzdem weiterhin vorhanden. Trotz Übertragung der Einrichtungen an freie Träger. Denn die Einrichtungen selbst bleiben alle in öffentlicher Hand. Somit auch die Instanhaltungskosten und Betriebskosten. Daher ist das für mich wieder typisches Töpfchendenken. Aber was will man von Politikern erwarten. Man kenn es ja nicht anders von denen :( .

  • B
    Bastian

    "Sparen kann der Bezirk auf diese Weise weil eine Arbeitsstunde im öffentlichen Dienst 50 Euro kostet, bei freien Trägern 30, wie Schulze erklärt. Die ehemaligen Bezirksmitarbeiter kommen dann in den Stellenpool. Dann bezahlt ihr Gehalt der Senat."

    na da wird mal wieder bürgernahe Beschäftigung irgendwo in die Bürokratie untergebracht. aber wenns dem sparen hilft...

    halt: 50€ (dann Senat) + 30€ (Bezirk) sind ja garnicht 20 Euro weniger sondern 30 mehr für die Öffentliche Hand. Komisch... aber dafür sind die besser bezahlten (also höher qualifizierten?) wenigstens nicht mehr damit beschäftig, wo sie sich eingearbeitet haben sondern können mal was neues erleben. jugend ist ja sowieso unwichtig, alles kriminelle Nichtwähler/Nichtwahlberechtigte!

     

    "eine Gesellschaft fällt, und denkt sich: bis jetzt ging es gut, bis jetzt ging es gut" La Haine, Hass