■ DVU-Wähler?: Friedrich Ebert
„So wie einst der Dichter, so lieben wir heute Deutschland über alles. Der deutschen Nation das Selbstbestimmungsrecht zu sichern, das sei unser Ziel. Unser deutsches Vaterland, unser deutsches Volk, sie leben hoch!“
Friedrich Ebert ist als Zeuge für die DVU ebenfalls völlig an den Haaren herbeigezogen. Der Sozialdemokrat und erste deutsche Reichspräsident sah sich im Gegenteil während seiner Amtszeit beständig von der Rechten mit Verleumdungen und Beleidigungen konfrontiert. Die Historiker machen die Rechten sogar direkt verantwortlich für Eberts frühen Tod mit 51 Jahren. Denn der Reichspräsident mußte sich der Verleumdung erwehren, er habe im Krieg 1916 den Streik von deutschen Munitionsfabrikarbeitern unterstützt und sei deshalb ein „Hochverräter“. Den Prozeß, den Ebert gegen einen reaktionären Münchner Journalisten wegen dieser Behauptung anstrengte, gewann er zwar, mußte aber hinnehmen, daß das Gericht ihm als amtierenden Reichspräsidenten ausdrücklich attestierte, ein „Hochverräter“ zu sein. Um sich gegen diese Verleumdungen zu wehren, engagierte sich Ebert so stark in einem Prozeß, daß er eine Blinddarmentzündung nicht behandeln ließ. Daran starb er 1925 – an den Folgen einer Verleumdung durch die Rechten.
Die Formel „Unser deutsches Vaterland lebe hoch“ war eine übliche Floskel für offizielle Anlässe, die dem „Dreimal Hoch auf den Kaiser“ entsprach. Deutscher Partiotismus und internationale Brüderlichkeit standen in der deutschen Sozialdemokratie in einem Spannungsfeld. Das zeigte sich besonders im Verhalten der SPD zum ersten Weltkrieg. Mit der Bewilligung der Kriegskredite 1914 beging die SPD ihren „größten Sündenfall“ und schwenkte auf den hurra-patriotischen Weg des wilhelminischen Deutschland ein. Andererseits verstanden sich die Sozialdemokraten immer auch als Mitglieder einer deutschen Nation, die zwar den ihr gebührenden Platz unter den Völkern einnehmen sollte, aber die anderen nicht dominieren oder unterdrücken sollte. Die SPD und Friedrich Ebert standen jedenfalls nicht für einen aggressiven und militanten außenpolitischen Kurs Deutschlands. Hetze gegen Minderheiten wie Juden oder Ausländer im eigenen Land war keine Sache der Sozialdemokratie. Die Historiker betonen, daß die SPD nie ein diktatorisches Regime gestützt oder befürwortet hat, sondern ganz im Gegenteil immer unter solchen Diktaturen gelitten hat.
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