Friedensprozess in Libyen: Wahlstreit statt Wahlkampf

Wahlen sollen Libyen befrieden. Doch die Konfliktparteien können sich nicht auf ein Wahlgesetz einigen. Die geplante Parlamentswahl wird verschoben.

Steinmeier empfängt den libyschen Staatschef Mohamad al-Menfi auf einem roten Teppich

Zu Besuch in Berlin: Libyens Staatschef al-Menfi vergangene Woche bei Steinmeier Foto: Michele Tantussi/reuters

TUNIS taz | Wegen eines Streits über Details des Wahlgesetzes wird die libysche Parlamentswahl auf Januar nächsten Jahres verschoben. Eigentlich sollten am 24. Dezember sowohl der Staatspräsident als auch alle Abgeordneten neu bestimmt werden. Das Mandat des im Juni 2014 gewählten und in Ostlibyen tagenden Parlaments war ursprünglich zwei Jahre gültig, wurde aber wegen des Kriegs eigenmächtig verlängert.

Abdallah Blihek, Sprecher der ursprünglich 200 Volksvertreter, verkündete am Dienstag, dass die Parlamentswahl nun 30 Tage später stattfinden soll. „Die Wahl eines Präsidenten hat Priorität“, sagte Blihek in die Kameras der ostlibyschen TV-Sender. Ein neuer Präsident soll wie geplant am 24. Dezember gewählt werden.

In der in Westlibyen gelegenen Hauptstadt Tripolis gab es zunächst keine Reaktionen auf die Entscheidung. Der dort tagende Staatsrat, eine Art Senat mit beratender Funktion, lehnt sowohl die vom Parlament gesetzten Rahmenbedingungen der Parlaments- als auch der Präsidentschaftswahl ab.

Zudem hatten 60 Parlamentsabgeordnete, die sich nach Tripolis abgesetzt haben, dem Wahlgesetz nicht zugestimmt. Laut Verfassung muss jede landesweite Wahl auf der Grundlage eines vom Parlament verabschiedeten Wahlgesetzes organisiert werden.

Vor einem Monat hatte Aguila Saleh, langjähriger Parlamentschef und bis Frühjahr auch Staatsoberhaupt, seinen Gesetzentwurf durchgepeitscht. Das ohne das nötige Quorum, aber mit einer einfachen Mehrheit beschlossene Papier wurde von Vertretern der internationalen Gemeinschaft dennoch begrüßt. Politische Beobachter in Westlibyen sehen nun die Gefahr, dass sich nach den geplanten Wahlen das Szenario von 2014 wiederholen könnte, als viele libysche Akteure die Wahlergebnisse nicht anerkannten, was zu einem wochenlangen Krieg zwischen Milizen in Tripolis führte.

Wird Gaddafis Sohn kandidieren?

Das Wahlgesetz sei auf Chalifa Haftar zugeschnitten, glauben viele in Tripolis. „Nach seinem 18 Monate langen Angriff auf die Hauptstadt ist das gefährlich für den Ablauf der Wahl“, sagt der Aktivist Mohammed al-Hamosi der taz.

Tatsächlich kann der im Osten beliebte und in Westlibyen verhasste Feldmarschall als Präsidentschaftskandidat antreten, solange er keine Position in der von ihm selbst geschaffenen Armee bekleidet. Prompt nach Salehs eigenmächtiger Verkündung des Wahltermins für den 24. Dezember verkündete der 77-jährige Haftar seinen vorübergehenden Rückzug als Befehlshaber der Libysch-Arabischen Nationalarmee (LNA) bis zum 24. Dezember.

Aber auch andere Kandidaten werden in den ehemals verfeindeten Landesteilen weder Wahlkampf führen noch als gewählter Präsident ohne extreme Sicherheitsmaßnahmen auftreten können. Der aus der Handelsstadt Misrata stammende ehemalige Innenmister Fathi Baschaga ist in Bengasi ein Feindbild, weil er angeblich die dort lange marodierenden islamistischen Milizen unterstützt.

Ob der in der Zintan lebende Sohn Muammar Gaddafis, Seif al-Islam, antritt, ist unklar. In der Wüstenstadt versteckt er sich vor einem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen Kriegsverbrechen während der Revolution von 2011.

Laut der libyschen Wahlbehörde, die erfolgreich die Parlamentswahlen von 2012 und 2014 organisiert hatte, treten weit über 100 Kandidaten für das Präsidentenamt an sowie weit über 100 politische Parteien. „Es gibt noch viele offene Rechnungen in Libyen“, sagt Aktivist al-Hamosi. „Die junge Generation will mit den Wahlen ein neues Kapitel aufschlagen, aber andere sehen darin die letzte Chance, ihre Macht zu legalisieren. Wenn sie verlieren, werden sie einen neuen Konflikt starten.“

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