Friedenspreis der Stadt Osnabrück: Wer wird Revolutionär?
Die Stadt Osnabrück ehrt den marokkanischen Schriftsteller Tahar Ben Jelloun. Doch nicht alle finden das gut. Er verehrt den König, sagen Kritiker.
BREMEN taz | Er ist einer der bedeutendsten Literaten aus dem Maghreb. Doch seine Ehrung sorgt für Kritik: Am 16. September bekommt der in Frankreich lebende Marokkaner Tahar Ben Jelloun den mit 25.000 Euro dotierten Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück. Die Jury ehrt ihn für sein Werben um "ein friedliches Miteinander der christlichen und islamischen Kulturen" sowie seine kürzlich erschienene Essaysammlung "Arabischer Frühling".
Doch wie schon bei der Verleihung des Goethe-Preises an den syrischen Dichter Adonis vergangenen Samstag in Frankfurt am Main finden viele, dass Tahar Ben Jelloun die Auszeichnung nicht verdient: Viel zu nahe stehe er den Herrschern Marokkos.
"Sein Buch wird als Sprachrohr für die Revolten hingestellt, obwohl Ben Jelloun mit den arabischen Aufständen überhaupt nichts zu tun hat", sagt der Göttinger Arabist Stephan Milich: "Er spricht den Umstürzen in Nordafrika ab, 'Revolutionen' zu sein. Gleichzeitig nennt er eine Rede des marokkanischen Königs 'revolutionär'."
Tatsächlich lässt Tahar Ben Jelloun, der entschieden für Aufklärung und Menschenrechte in der arabischen Welt eintritt, keine Gelegenheit aus, das Königshaus in Rabat zu loben - im April auch in der taz. "Der König arbeitet, er tut sein Bestes. Er ist beliebt und viele politische Parteien sollten sich an ihm ein Beispiel nehmen", heißt es etwa im "Arabischen Frühling".
Einen "katzbuckelnden Höfling" und "Trittbrettfahrer" nannte ihn deshalb die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Denn auch wenn der seit 1999 regierende Mohammed VI. als moderater und westlich orientierter Potentat gilt, werden in seinem Land Oppositionelle verfolgt, es gibt Folter, politische Justiz, und Menschenrechtsverletzungen.
"Menschenrechte zum Anfassen"
Die Fiedenspreis-Jury verteidigt ihre Wahl. "Solche Einwände sind von uns durchaus diskutiert worden", sagte Jury-Mitglied Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung am Dienstag zur taz. Im Hinblick auf die Haltung Tahr Ben Jellouns zum Königshaus in Rabat könne man "Bedenken haben". Doch in der Summe habe sich die Jury entschieden, den Psychotherapeut zu ehren. Seine Schriften seien teils "Menschenrechte zum Anfassen", so Prantl.
"Die Leute, die in Marokko wirklich für Demokratie eintreten, saßen 15 Jahre im Gefängnis", sagt der Berliner Arabist und Maghreb-Experte Rachid Boutayeb. "Ben Jelloun hingegen lobt die 'demokratischen Reformen' des Königs. Die sind ein Fortschritt, doch weit von Demokratie entfernt. Das muss man auch so sagen." Er habe "zweifellos eine opportunistische Nähe zum Königshaus".
Ähnlich urteilt die separatistische Frente Polisario (FP) aus der Westsahara. "Ich schätze ihn als Schriftsteller, aber ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum er einen Friedenspreis bekommt", sagt der deutsche FP-Vertreter Jamal Zakari: "Von einem Autor seines Kalibers erwarte ich mehr Unabhängigkeit." Er klage Demokratiedefizite zwar in der Arabischen Welt an. Doch was Marokko angehe, halte er sich bedeckt.
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