piwik no script img

Friedensaktivist über Folter"Man hätte davon wissen können"

Dass britische Soldaten im Irak folterten, ist bekannt. Die Behörden haben es nur ignoriert, sagt der Friedensaktivist Michael Randle.

"Die Soldaten haben sich nur an Anweisungen gehalten." - Britischer Soldat bewacht einen Iraker während einer nächtlichen Razzia in Basra. Bild: rtr
Ralf Sotscheck
Interview von Ralf Sotscheck

taz: Herr Randle, die von britischen Soldaten aufgenommenen Videos zeigen, dass britische Truppen an der Folter von Gefangenen im Irak beteiligt waren. Sind Sie überrascht?

Michael Randle: Nein, nicht wirklich. Im Irak sagen die Menschen, das sei keine Enthüllung. Man wusste das seit langem. Für die westlichen Medien mag das eine Enthüllung sein. Die Behörden in den USA und in Großbritannien, aber auch die westlichen Medien haben die Tatsachen bisher weitgehend ignoriert. Andererseits sagte George Bush vor Jahren, dass Waterboarding keine Folter sei. Man hätte also wissen können, was im Irak vor sich ging.

Bisher lautete der Vorwurf, dass die Briten Gefangene an die irakischen Institutionen ausgehändigt haben, obwohl sie wussten, was mit ihnen geschehen würde.

Bild: archiv
Im Interview: 

Michael Kendle, 77, ist Mitgründer der ersten britischen Friedensbewegung "Committee of 100". Wegen illegaler Friedensaktionen saß er häufig im Gefängnis. 1966 befreite er den Doppelagenten George Blake aus einem Londoner Gefängnis und brachte ihn nach Ostberlin. 1994 promovierte er zu Friedensstudien an der Uni Bradford, danach war er Dozent. Er veröffentlichte viele Bücher.

Das allein war ein Verstoß gegen die Genfer Konvention. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat vor Kurzem entschieden, dass man Gefangene nicht an ein Regime ausliefern darf, wenn die Gefahr besteht, dass sie gefoltert würden. Darüber hinaus wäre Großbritannien gesetzlich verpflichtet gewesen, die Foltervorwürfe zu prüfen und gegebenenfalls eine Strafverfolgung einzuleiten. Das ist bis heute nicht geschehen.

Aber jetzt geht es um aktive Beteiligung britischer Soldaten an den Folterungen.

Auch das ist ja keine neue Erkenntnis. Die Morde an Zivilisten, der Totschlag an einem Iraker in einem britischen Hubschrauber, das Ertränken eines 19-Jährigen nach einem Verkehrsunfall - all das war eigentlich bekannt, wenn man sich dafür interessierte. Die Videos bewirken, dass es ein größeres Bewusstsein in der britischen Öffentlichkeit für die Ereignisse im Irak und die zivilen Opfer gibt. Die US-Regierung hat stets behauptet, dass man zivile Opfer nicht zähle. Das hat sich als Lüge herausgestellt - man hat die Zahlen lediglich geheim gehalten.

Bisher sollen möglicherweise drei hochrangige Soldaten wegen Folter angeklagt werden. Sind sie die Sündenböcke?

Natürlich. Der wahre Skandal ist, dass die Soldaten im Irak zur Folter ausgebildet wurden. Die Videos und Bücher, die zur Ausbildung der Rekruten für den Einsatz im Irak benutzt wurden, enthalten detaillierte Anweisungen über Techniken, die von der Genfer Konvention als Folter bezeichnet werden. Die Soldaten haben sich nur an Anweisungen gehalten. Wenn es zum Prozess kommt, steht das Verteidigungsministerium mit vor Gericht.

Das Verteidigungsministerium behauptet, die Veröffentlichungen würden die Moral der Soldaten untergraben.

Nichts würde die Moral der Soldaten mehr untergraben als das Ignorieren der Foltervorwürfe. Es gibt einen einfachen Weg, um die Moral der Truppe zu heben: Zieht sie aus Afghanistan zurück.

Es gibt 1.253 Video- und Tonaufnahmen, die britische Soldaten selbst von den Folterungen gemacht haben. Warum haben sie ihre Taten auch noch dokumentiert?

Das ist mir ein Rätsel. Vielleicht waren sie von den neuen Technologien so eingenommen, dass sie nicht an mögliche Konsequenzen dachten? Wer weiß? Warum hat Richard Nixon damals die Watergate-Geschichte so minutiös in seinen Akten festgehalten? Ich weiß darauf keine Antwort.

INTERVIEW: RALF SOTSCHECK

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • T
    TOM

    Scheint die Christen interessiert es nicht, was Ihre Glaubensgenossen so treiben. Heute schon protestiert dagegen? Halt ne, ich vergesse immer wieder das dies ja nur die Moslems sollten