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Freys Büroleiter macht mobil

Kaum war die Deutsche Volksunion (DVU) in Sachsen-Anhalt „demokratisch gewählt“ (Gerhard Frey), da machten ihre Kandidaten auch schon Schlagzeilen. Fraktionschef Helmut Wolf, fand die Presse heraus, hatte 1995 seine Frau mit einer Gaspistole bedroht; Mirko Mokry wurde als mutmaßlicher Hakenkreuzschmierer, Parteifreund Thorsten Miksch als Hundewerfer enttarnt. Kurz darauf erfuhr die Öffentlichkeit nach den privaten Verfehlungen auch von den politischen: Ein DVU- Kollege, meldete der Stern, hatte den Abgeordneten Eberhard Lehnert aufgefordert, an einem Fackelzug durch das Brandenburger Tor teilzunehmen. Grund genug für ihn, an der „Lernfähigkeit in den eigenen Reihen“ zu zweifeln, so der Stern über den Ausstieg Lehnerts aus der DVU.

Verantwortlich für die Aufforderung zum Sternmarsch auf Berlin war indes ausnahmsweise nicht das Parteiführerhauptquartier gewesen, sondern der Titanic-Redakteur Martin Sonneborn. Der hatte als „Büroleiter von Dr. Frey“ die „Kameraden“ mobilisiert und dabei auch die „Verbrennung von Hetzpresse am Opernplatz“ als Tagesordnungspunkt genannt. Ein Plan, der auf Begeisterung stieß, sowohl bei Rudi Wiechmann, dem zukünftigen Alterspräsidenten des Magdeburger Landtags („Zur Dämmerungsstunde!“) als auch beim Fraktionsvize Dieter Kannegießer, der wußte, welche Schriften dem Feuer übergeben werden sollten: Die B.Z., für die sei „Dr. Frey in übelster Weise fotografiert“ worden.

Auch Eberhard Lehnert stand grundsätzlich bereit, allerdings war ihm inzwischen etwas mulmig geworden, hatte er doch „durch den Wahlsieg derbe private und geschäftliche Schwierigkeiten gekriegt“. Beruhigt von Sonneborn („Die Partei sorgt für die ihren“) bekundete er jedoch sein Interesse an einer Parteikarriere („Mir bleibt ja keine andere Wahl mehr“). Nach dieser Unterredung („Wenn wir erst mal in' Landtag ringekommen sind, da hält man doch erst mal die Fresse“) will Lehnert laut Stern jedoch endgültig Abstand von der DVU genommen haben. Schuld ist auch hier Sonneborn, der sein Angebot präzisiert hatte: „Kamerad Lehnert! Wir haben umdisponiert: Ab sofort sind Sie unsere Nummer 1 in Sachsen- Anhalt! Bringen Sie es Herrn Wolf schonend bei!“ C&A

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