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Freundschaftsspiel Türkei gegen RusslandMehr als nur ein Kick

Beim Freundschaftsspiel in Antalya trafen die Türkei und Russland aufeinander. Das Spiel wurde zum politischen Symbol einer Aussöhnung.

Gute Laune beim flauen 0:0 nach 90 Minuten Foto: reuters

„Es lebe die türkisch-russische Freundschaft“, rief der Stadionsprecher am Mittwochabend ins weite Rund des Stadions von Antalya, sodass es wirklich jeder der 30.000 Zuschauer auf den Rängen der modernen Arena im türkischen Urlaubsort hören konnte. Demonstrativ schwenkten Zuschauer einträchtig kleine türkische und russische Nationalflaggen – als hätten sie sich abgesprochen.

Zwar stand das Freundschaftsspiel zwischen den Nationalmannschaften der Türkei und der Russischen Föderation auch unter dem Zeichen des Debüts Stanislaw Tschertschessows, als Neu-Nationaltrainer Russlands verantwortlich für den Neuaufbau der „Sbornaja“ für die kommende Heim-WM 2018. Wichtiger war allerdings die politische Symbolkraft. Das flaue 0:0 nach 90 Minuten geriet dabei zur Nebensache.

Dass die Türkei zum Auftaktgegner der Freundschaftsspiel-Odyssee der russischen Nationalmannschaft in den nächsten zwei Jahren erwählt wurde, ist kein Zufall. Die Ankündigung des Aufeinandertreffens erfolgte durch den Russischen Fußballverband am 8. August. Gerade erst hatten die Führer der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, und sein russisches Pendant, Wladimir Putin, ihre politische Eiszeit offiziell beendet und sich auf ein gemeinsames Treffen in Sankt Petersburg geeinigt, um die wiedererstarkte Partnerschaft vor den Kameras der Weltpresse zu zelebrieren.

Nachdem die türkische Luftwaffe Ende November 2015 einen russischen Kampfbomber an der syrisch-türkischen Grenze abgeschossen hatte, folgten Monate der Krise. Russland verschärfte die Kontrollen türkischer Landwirtschaftsprodukte, gab eine Reisewarnung für die Türkei heraus, stoppte zwischenzeitlich ein gemeinsames Pipelineprojekt und Pauschalreisen in die Türkei, führte die Visapflicht wieder ein und erteilte Absagen zu gemeinsamen Treffen von Spitzenpolitikern.

Der liebe Freund Putin

Die Sanktionen trafen die türkische Landwirtschafts- und Tourismusbranche hart. Im Juni folgte die Kehrtwende: Erdoğan entschuldigte sich für den Abschuss und ließ den Todesschützen festnehmen. Die Beziehungen normalisierten sich, Sanktionen von russischer Seite wurden fallen gelassen. „Wir werden unsere Beziehungen wieder auf das Niveau anheben können, auf dem sie waren“, teilte Erdoğan am 9. August in Sankt Petersburg mit, während er Putin immer wieder als „lieben Freund“ bezeichnete.

Nun Ankara: Das Aussöhnungsspiel am Mittwoch war nicht viel mehr als eine große politische Bühne, um die russisch-türkische Freundschaft für alle sichtbar zu demonstrieren. Aus den Lautsprechern dröhnte das russische Volkslied „Kalinka“ – für diejenigen, die die politische Symbolkraft noch nicht verstanden hatten.

Wir werden unsere Beziehungen auf das Niveau anheben, auf dem sie waren

Recep Tayyip Erdoğan

Dabei besaß allein Antalya als Austragungsort eine ausreichende Symbolik für den Wandel der türkisch-russischen Beziehungen: Vor der Krise reisten russische Touristen besonders gern hierher, der Wirtschaftsstandort Antalya war von ihnen abhängig. Durch die Sanktionen fielen aber 90 Prozent der russischen Türkeiurlauber weg. Nun sollen und dürfen Russen nach Monaten wieder an den Promenaden flanieren, ihre Rubel in den Geschäften lassen und die Strände bevölkern. Je mehr, desto besser. Heute gibt es wieder Charterflüge von Moskau nach Antalya. Neben der politischen Propaganda war das Spiel insofern eine Werbung für die türkische Tourismusbranche. Als wollten sie sagen: „Kommt her, jetzt dürft ihr wieder.“ Und sicher war es auch noch.

Wenn die russische Nationalmannschaft um ihren Trainer Tschertschessow, der heute seinen 53. Geburtstag feiert, am kommenden Dienstag in Moskau gegen Ghana antritt, steht endlich wieder der Sport im Fokus der Öffentlichkeit. Die türkische Mannschaft reist zum Auftakt der WM-Qualifikation nach Zagreb. Dort treffen sie am Montag auf Kroatien. Vielleicht macht das Zugucken dann ja wieder Spaß.

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