Freund*innenschaft: Besties als Fernbeziehung
Erst ignorierten sich Lada und Ivona im Schulbus, dann wurden sie vor sieben Jahren beste Freundinnen. Bis heute in mittlerweile getrennten Ländern.
Ivona war immer meine Komplizin. Die krasseste Aktion war wahrscheinlich die, als sie ihre Mutter überredet hat, meine Eltern anzurufen, um ihnen zu sagen, dass wir übers Wochenende mit ihr in die Berge fahren. Dabei bin ich stattdessen nach Berlin geflogen, um meinen Freund zu besuchen. Ich habe keine Ahnung, wie Ivona das hinbekommen hat. „Wehe du machst da irgendwas Dummes!“, hat sie mir vor meinem Abflug in Belgrad gesagt.
Damals war ich 17, von dem Freund wussten meine Eltern nichts. Mittlerweile lebe ich mit ihm zusammen. Letzten Oktober bin ich nach Berlin gezogen, um Bühnen- und Kostümdesign an der Weißensee Kunsthochschule zu studieren. In meiner Heimatstadt wäre das nicht möglich gewesen. In Belgrad musst du die richtigen Leute kennen, um einen der wenigen Kunststudienplätze zu bekommen. Dort schauen sie außerdem mehr auf die handwerklichen Skills. Hier in Berlin zählt auch Kreativität. Die ganze Stadt strahlt das aus, ich finde das toll.
Aber nach der Uni bin ich oft allein. Ich lerne zwar Leute kennen, aber irgendwie wird nie mehr als Smalltalk daraus. Ich vermisse Ivona und meine ganze Freundesgruppe. Sich nachmittags auf einen Kaffee treffen und dann irgendwann auf die Uhr schauen und merken, dass schon Abend ist. „Kommst du noch mit zu mir und dann kochen wir zusammen?“ Solche Sachen.
Ivona und ich sind nicht so gut im chatten. „Wir müssen das echt mal lernen“, hat sie mir vor kurzem am Telefon gesagt, damit wir nicht die Nähe zueinander verlieren. Davor habe ich manchmal Angst, obwohl es eigentlich unvorstellbar ist. Mindestens alle zwei Wochen verabreden wir uns online zum gamen. Wir spielen League of Legends oder irgendein dummes Spiel wie Roblox. Dabei sprechen wir, drei, vier Stunden lang. Irgendwann spielen wir gar nicht mehr, sondern unterhalten uns nur noch. Wir kennen das noch aus der Pandemie. Damals haben wir irgendwie auch schon eine Fernbeziehung geführt, obwohl wir noch in der selben Stadt gewohnt haben.
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Vor kurzem war ich zu Besuch in Belgrad. Ich bin mit meinen Freunden zu den Studierendenprotesten gegangen. Sie sind dort jeden Tag, seit Monaten schon. Wenn ich in Berlin bin, habe ich manchmal ein schlechtes Gefühl und denke, dass ich eigentlich dort sein sollte, um mein Land zu verändern. Aber wenn ich dort bin, habe ich das Gefühl zu ersticken. In Belgrad leben zwei Millionen Menschen, doch für mich fühlt es sich manchmal an, als wären es nur 100. Und ich kenne sie alle. Mein letzter Besuch hat nur vier Tage gedauert.
Ivona und ich hatten unseren ersten Streit: Ich habe sie nicht wie verabredet von der Arbeit abgeholt, denn ich hatte zufällig einen Freund getroffen und habe spontan einen Kaffee mit ihm getrunken. „Komm doch eben dazu“, hab ich ihr geschrieben. „Das ist eine halbe Stunde Fahrt!“, hat sie geantwortet. Ich bin schon zu sehr an die Berliner Distanzen gewöhnt und dachte: Ja, und? Später habe ich sie angerufen und ihr gesagt, dass ich sie unbedingt sehen möchte. Wir haben am Telefon geweint und uns gesagt, wie wichtig wir uns sind. Es war wie in einem kitschigen Film. Dann bin ich zu ihr gefahren und wir waren bis spät in die Nacht unterwegs.
Protokoll: Marie Gogoll
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