piwik no script img

■ StandbildFreud hatte doch recht!

„Nils' Ruf“, Montag, 16.45 Uhr, Deutsches Sportfernsehen

Als Freud 1886 seinen Vortrag über männliche Hysterie hielt, wurde er von den Medizinerkollegen verspottet: „Hysteron“ sei die Gebärmutter, und kein Mann habe eine solche. Bei Nils Ruf, der nun täglich auf DSF jenseits von Arabella Kiesbauer quakt, scheint das anders zu sein. Dieser Junge mit dem Geisbärtchen (eine zusammengemendelte Mischung aus Stefan Raab und den Fantastischen Vier) zappelt atemlos quasselnd vor und mit der Kamera herum, als wanderte ihm wirklich eine Gebärmutter durch den Leib.

Die Nachmittags-Call-in- Show „Nils' Ruf“ ist ein werbeästhetisch 100 Prozent kalkuliertes Produkt. HipHop ist inzwischen jedem Dorftrottel aus dem Schwarzwald ein Begriff. Deswegen setzt man einen dumpf angegrungeten Schnellschwätzer ins Format und läßt ihn ein paar Witze reißen, die keinem wehtun: „Mariendoof“, „Verbotene Hiebe“ und der „brave Hund Lothar“ (Matthäus). „Neues von Steffi G.“ ist das besonders schweinische Barbiepuppenspiel. Wir haben nichts dagegen, wenn Jungs mit Puppen spielen. Aber muß man da gleich eine Fernsehsendung herumbasteln?

Nils macht eine Live-Schaltung in seine eigene Sendung, und er übt sich mit einem Tischtennisball im Torwand-Niesen: Um ein bißchen Mediensatire kommt man ja heute nicht mehr herum. Das Bemühen, möglichst fies und geschmacklos zu sein, ist dem armen Kerl noch deutlicher anzusehen als die keuchende Atemlosigkeit, mit der er seine demonstrativ pubertären Witze über Kacke und Pisse (Zielgruppe!) abspult. Das alles ist so spontan wie Windows 95.

Call-in ist eigentlich out, aber irgendwie muß man den Marketingleuten ja verklickern, daß die Viva-Zielgruppe vor dem Apparat sitzt. Die kurzen Wortwechsel mit den Anrufern liefern den handfesten Beweis für die Theorie, daß die menschliche Sprache nicht immer der Verständigung dient. Herr Nils erbricht einen monotonen Wortdurchfall, der durchsetzt ist von der Aufforderung, ihn möglichst mit Fäkalausdrücken zu beschimpfen. Wenn ihm gar nichts mehr einfällt, nimmt er die Faustkamera und spielt Ayrton Senna mit 250 km/h vor der Betonwand.

Das Bemühen, Trashfernsehen zu produzieren, reduziert sich hier auf idiotisches Dauerkichern von Nils Ruf. Fernsehen der Zukunft: alle lachen, und keiner weiß warum. Manfred Riepe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen