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Fremde Männer mit braunen Papiertüten Von Ralf Sotscheck

Ist Ihnen das auch schon mal passiert? Da klingelt ein wildfremder Mann an der Haustür, drückt einem zwei braune Papiertüten in die Hand und verschwindet ohne Erklärung. Dann schaut man in die Tüten und findet 80.000 Mark. Unglaublich, gell?

Genau das ist aber dem irischen Außenminister Ray Burke passiert, wenn man ihm glauben darf — wofür es freilich keinen Grund gibt. Es war während des Wahlkampfes 1989, als ihm der heute 80jährige Geschäftsführer einer Baufirma, Jim Gogarty, das Geld zugesteckt hat. Er hatte ihn nie zuvor gesehen, beteuerte Burke, konnte das Geld aber gut gebrauchen. Nun ist die Sache herausgekommen, und er mußte dem Parlament eine halbwegs plausible Geschichte auftischen, damit die nagelneue Koalition nicht gleich wieder auseinanderfiel.

Er habe diese Angelegenheit längst abgehakt, erklärte er den staunenden Abgeordneten, und die sollten nun gefälligst das gleiche tun. Aber so leicht wollten die nicht abhaken. Da fing der Außenminister an zu weinen und erzählte von seinem Vater Paddy, der 29 Jahre lang dem Parlament gedient habe. Den Tränentrick hatte er diversen Kollegen abgeguckt: Margaret Thatcher heulte, als ihr Sohn Mark in der Wüste verschollen war; Richard Nixon beweinte im Fernsehen seinen Hund Checkers; und der damalige australische Premierminister Bob Hawke gestand bei einem Interview unter Tränen einen Seitensprung. Genützt hat es allen dreien nichts, und auch bei Burkes nassem Auftritt kam den Abgeordneten bloß ein Reptil in den Sinn.

Da wurde der Minister deutlicher: Wenn er jetzt Details über seine dunklen Aktivitäten während des Wahlkampfes 1989 preisgeben müsse, wäre das „ein entsetzlicher Präzedenzfall für alle, die in Zukunft irgendwelche persönlichen Erklärungen abgeben“ müßten. Mit anderen Worten: Ganoven müssen zusammenhalten. Und der Wink wurde verstanden. Schließlich gibt es da noch ein Konto mit 40 Millionen Pfund Bestechungsgeldern auf den Cayman-Inseln, deren verschlungener Weg auf die Grüne Insel und geradewegs ins Parlament führte. Zwei Sündenböcke — einen ehemaligen Premierminister und einen ehemaligen Staatssekretär, beide politisch ohnehin erledigt — hatte man ja schon, und so waren sich alle einig, dieses Konto nicht genauer unter die Lupe zu nehmen. Und Burke bleibt auch von einer Untersuchung verschont.

Was kann er auch dafür, wenn ihn Bauunternehmen mögen? Als er noch Dubliner Stadtrat war, betrieb er die Umwidmung von Grünflächen in Bauland, auf das eine Baufirma dann Häuser stellte. In deren Bücher waren unter dem Stichwort „Planung“ 15.000 Pfund Kosten aufgeführt. Der Empfänger? Na, raten Sie mal. Den Nordiren, an deren Friedensverhandlungen Burke beteiligt ist, predigt er Vertrauensbildung. Wenn sie es aus solch berufenem Munde hören, kann wohl nichts mehr schiefgehen mit dem Frieden.

Aber vielleicht tut man ihm ja Unrecht, möglicherweise laufen in Irland tatsächlich großherzige Menschen mit braunen Papiertüten herum. Ich flitze jedesmal ganz hoffnungsvoll zur Tür, wenn es klingelt. Doch dann sind es immer nur die Nachbarn. Und in deren brauner Papiertüte ist höchstens ein Sixpack Guinness.

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