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Freiwasserschwimmen in Hamburg„Man muss kämpfen“

Die Sportart Freiwasserschwimmen ist jung, aber olympisch. In der Doveelbe müssen Schwimmer mit den natürlichen Bedingungen klar kommen.

Wird allen Schwimmern auf die Haut gestempelt: die Startnummer Foto: Hannes von der Fecht

Hamburg taz | So viele Muscheln. An jedem der Stuhlbeine haften die kleinen Bachmuscheln mithilfe ihrer Fäden. Vor einiger Zeit war dieser Gartenstuhl aus Plastik einmal weiß. Jetzt ist er überzogen mit Schlamm, der verkrustet ist. Daneben steht ein verdrecktes Herrenfahrrad mit rostiger Kette. Beides haben DLRG-Taucher am Tag zuvor aus der Dove-Elbe in Hamburg-Allermöhe gezogen.

Die Aktion war Teil einer Sicherheitsmaßnahme: Der Bereich vor dem Startponton musste von Gefahren aus der Tiefe befreit werden. Schließlich soll sich keine Athletin und kein Athlet bei den Deutschen Meisterschaften im Freiwasserschwimmen verletzen.

Vor der Meisterschaft wird das Wasser aufgeräumt

Jane Meißner, 17, und Annika Hoffmann, 16, vom Flensburger Schwimmklub haben für die Fundsachen keinen Blick. Sie sind konzentriert. Jane wagt sich zum ersten Mal auf die Zehn-Kilometer-Schwimmstrecke, Annika muss sich altersbedingt noch mit der 7,5-Kilometer-Distanz begnügen.

Die Sportart Freiwasserschwimmen nahm vor zwei Jahrzehnten Fahrt auf. Bei Welt- und Europameisterschaften werden Titel über fünf, zehn und 25 Kilometer vergeben. Seit Peking 2008 sind die zehn Kilometer eine olympische Sportart für Frauen und Männer.

Jane und Annika stehen in einer Gruppe von etwa 40 Frauen. Sie blicken hinaus auf die Dove-Elbe, einen Nebenfluss der Elbe. Das 19 Grad warme Wasser wird durch den Wind leicht aufgeraut. Weit drüben dreht sich ein korngelbes Windrad vor einer dunklen Wolkenfront. „Freiwasser ist echt schön, um den Kopf frei zu bekommen“, sagt Jane.

„Man hat Zeit für sich, man kann sich auf sich selbst konzentrieren. Für mich müssen die Strecken entweder ganz kurz sein oder sehr lang. Die 50-Meter-Distanz im Becken finde ich auch gut, aber das hier ist noch besser“, sagt die Gymnasiastin.

An eine Karriere im Leistungssport denken beide nicht. „Ich möchte einfach nur relativ gut sein, möchte sehen, wie weit ich meinen Körper bringen kann“, sagt Annika. „Und ich möchte dann Trainerin werden und so mein angestrebtes Studium der Zahnmedizin finanzieren.“

Die Mütter machensich manchmal Sorgen

Der Startschuss fällt. Eine Runde ist 1.000 Meter lang. Die analoge Digitaluhr am Ufer beginnt zu klacken. Jede Sekunde ein „Klack“. Es werden sehr viele.

Andrea Meißner und Petra Hoffmann verfolgen mit Ferngläsern das Vorankommen ihrer Töchter. „Oh, da drüben ist gerade Tea-Time“, merkt Petra an, nachdem sie gesehen hat, dass Annika und Jane, die nahe beieinander schwimmen, an der Versorgungsstation angelangt sind. Das Trainerteam reicht ihnen Becher mit Ingwertee und drückt ihnen jeweils eine Banane in die nasse Hand.

Nicht immer seien sie so entspannt gewesen wie jetzt, räumen die Mütter ein. „Beim ersten Training in Wanderup war ich ordentlich nervös“, sagt Andrea Meißner. „Da sah ich plötzlich, dass da zwei abgedriftet waren. Ich wusste nicht, ob unsere beiden das waren. Oder auf der Ostsee bei ablandigem Wind. Da hat mich Mutterpanik ergriffen.“

Während die Töchter unter dem wolkenverhangenen Himmel ihre Runden drehen, geht es am Ufer gemächlich zu. Die Sekunden verstreichen – klack, klack, klack.

Angela Delissen steht dagegen unter Strom. Zehn Minuten für ein Gespräch seien zu viel, sagt die Organisatorin vom Hamburger Schwimmverband. Die Frage, was das Freiwasserschwimmen ausmacht, beantwortet sie wie folgt: „Die Naturbedingungen und Umwelteinflüsse können sehr unterschiedlich sein.“

Es gebe keine Bahnen, die abgeleint sind, man habe mit Wellen und Kälte zu tun. Und: „Man schwimmt nicht allein, sondern im Pulk. Das heißt, dass man kämpfen und strategisch schlau schwimmen muss, wenn man gewinnen will.“

Wie bei allen anderen DM-Entscheidungen sind auch dieses Mal fünf Boote von der DLRG für den Fall der Fälle im Einsatz. „Das Gefährlichste ist, dass man sich so verausgabt, dass man gar nicht mehr merkt, dass man nicht mehr kann“, sagt Delissen. „Vor allem junge Schwimmer können sich oft noch nicht so gut einschätzen.“ Nach fünf Minuten und 32 Sekunden eilt sie davon.

Nach acht Runden fängt alles an zu krampfen

Bald darauf steigt Annika aus dem Wasser. „Dafür, dass ich gesundheitlich etwas angeschlagen war, lief es ganz gut“, sagt sie. „Auf der letzten Runde war ich aber froh, dass es bald vorbei ist.“ 1:40:48 Stunden hat sie für die 7,5 Kilometer gebraucht.

Eine Dreiviertelstunde später hat Jane die zehn Kilometer geschafft. Sie holt tief Luft, pustet aus und sagt: „Halleluja!“ Am Ellenbogen hat sie einen Riss in der Haut. „Ich habe die Boje zu eng genommen und bin mit meinem Arm an der Schnur,, vorbeigeschrammt. Ist aber nicht das Problem.“

2:26:51 Stunden hat es gedauert. „Nach der siebten, achten Runde habe ich gemerkt, dass alles anfing zu krampfen, dass es ganz schön kräftezehrend war. Meine Arme wollten am Ende auch nicht mehr“, sagt sie. „Ich bin froh, dass ich es geschafft habe. Jetzt kommt erst einmal Essen in den Körper hinein – und dann geht es mir wieder gut.“

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