Freitagspredigt im Iran: Chamenei enttäuscht die Opposition
In seiner mit Spannung erwarteten Rede stellt sich der iranische Revolutionsführer auf die Seite des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad.
"Schlägt er um sich, weil er in der Ecke steht, oder redete er voller Selbstvertrauen und einem Gefühl der Stärke?" Das war die Frage, die sich viele Iraner nach einer Predigt des Revolutionsführers beim zentralen Freitagsgebet in Teheran stellten. Denn wer gehofft hatte, dass Ali Chamenei einen Ausgleich zwischen Opposition und Regierung suchen, oder gar eine Kehrtwende hin zu Neuwahlen machen würde, der wurde eines Besseren belehrt.
Der Mann mit dem letzten Wort im Iran warf sein ganzes Gewicht in die Waagschale Mahmud Ahmadinedschads, wenngleich er diesen zwischendrin auch kurz für dessen persönlichen Angriffe im Wahlkampf gegen andere iranische Politiker, wie Ajatollah Ali Akbar Haschemi Rafsandschani kritisierte.
Chamenei wies die Oppositionsvorwürfe massiver Wahlmanipulation zurück. Damit einher ging eine klare Drohungen an die Opposition. Wenn die Straßenproteste weitergingen, trage sie die vollen Konsequenzen, kündigte er an. Es gebe Politiker, die das Volk beeinflussten und "extremistisch" handelten, erklärte er. Dieser "Extremismus" werde an einem Punkt enden, an dem es kein Zurück mehr gebe. Die betreffenden Politiker seien dann selbst Schuld "an Blut, Gewalt und Chaos", sagte Chamenei. Er werde "der Straße nicht weichen", sagte er während der Predigt, der auch Ahmadinedschad beiwohnte. "Wenn sie weitermachen, werde ich mit ihnen ein offenes Wort haben", warnte er, während Zehntausende in und um die Freitagsmoschee in Teheran "Wir warten auf deine Befehle" skandierten.
Einen großen Teil seiner fast zweistündigen Rede verwendete Chamenei darauf, die hohe Wahlbeteiligung von 85 Prozent als einen Vertrauensbeweis in die Islamische Republik zu beschreiben. "Wenn die Menschen sich nicht frei fühlen würden, würden sie nicht wählen gehen. Damit haben sie ihr Vertrauen in das islamische Establishment gesetzt", sagte er.
Chamenei betonte, dass alle vier Präsidentschaftskandidaten trotz ihrer Unterschiede dem islamischen Establishment angehörten. Ausländische Medien versuchten das Ganze als einen Kampf zwischen außerhalb und innerhalb des islamischen Establishments darzustellen. In Wirklichkeit aber gebe es nur Meinungsunterschiede innerhalb des Establishments, betonte sagte der Revolutionsführer.
Kein Wort verlor er darüber, dass sich viele Iraner nach ihrem Enthusiasmus für die Wahlen am Ende um ihre Stimme betrogen fühlten. Zwar stellte er der Opposition frei, auf legalem Wege Beschwerde gegen das Ergebnis einzureichen. Zweifel an den offiziellen Ergebnissen und der Wiederwahl Ahmadinedschads müssten auf juristischem Wege untersucht werden, sagte er.
Aber er machte keinen Hehl daraus, dass ein derartiges Unterfangen bei einem Unterschied von 11 Millionen Stimmen aussichtslos ist. "Das islamische Establishment wird niemals Verrat begehen und die Stimmen der Menschen manipulieren", sagte er. Die Rechtsstrukturen und die Wahlgesetze im Iran erlaubten keinen Wahlbetrug.
Seine einschüchternde Botschaft war mehr als deutlich: Jeder Angriff gegen Ahmadinedschad ist eine Attacke gegen ihn als Revolutionsführer und damit gegen die Islamische Republik Iran. Bis hierher und nicht weiter. Denn zwischen den Zeilen war klar herauszuhören: "Hier geht es nicht um Ahmadinedschad, hier geht es um mich und unser islamisches System."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“