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Freispruch für geräumte BesetzerKeine Strafe für letzte Liebig-Besetzer

Trotz schwerer Barrikaden: Die letzten Bewohner des im Februar geräumten Berliner Hausprojektes Liebigstraße 14 kommen straffrei davon.

Eine Küche in der Liebigstraße 14 nach der Räumung durch die Polizei Bild: Reuters

Wie jetzt bekannt wurde, kommen die letzten Bewohner der Liebig 14, die sich während der Räumung im Februar in dem linken Hausprojekt verschanzt hatten, straffrei davon. Das Amtsgericht Tiergarten sprach Anfang November einen 37-jährigen Italiener frei. Darauf wurden laut dessen Anwältin auch die Verfahren gegen sieben weitere Bewohner eingestellt. Nur ein Beteiligter akzeptierte einen Strafbefehl.

Er sei "ziemlich froh" über den Freispruch, sagte der 37-Jährige. "Wir haben nichts Unrechtes getan, wir waren nur in unserem Haus." Nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten hatte der Eigentümer des 1990 besetzten Hauses Anfang Februar räumen lassen. Fünf Stunden brauchte die Polizei, um hinter schweren Barrikaden im dritten Stock auf die letzten Bewohner zu stoßen: drei Italiener, einen Spanier, eine Französin sowie je zwei deutsche Frauen und Männer.

Sachbeschädigungen wurden den neun nicht vorgeworfen, offenbar schien es nicht aussichtsreich, ihnen eine Beteiligung am Barrikadenbau nachzuweisen. Stattdessen erließ das Amtsgericht Strafbefehle wegen Hausfriedensbruchs von rund 600 Euro, so Anna Luczak, Anwältin des 37-Jährigen. Diesen widersprachen acht der neun Beschuldigten, für den ersten war es nun zum Prozess gekommen.

Im Fokus stand dort laut Luczak die Frage, ob die Räumungstitel "den Richtigen" galten: den in den Titeln genannten Personen oder - wie von den Bewohnern angegeben - dem Verein "Liebig14". Ein als Zeuge geladener Exbewohner, der das Haus 1990 mit besetzt hatte, soll geschildert haben, dass bereits mit der Legalisierung 1992 der Verein als alleiniger Verfügungsberechtigter fungierte. Damit seien die Räumungstitel falsch gewesen, so Luczak. "Diese Sicht hat dann auch die Staatsanwaltschaft geteilt." Die vor Ort Angetroffenen hätten sich demnach nicht widerrechtlich im Haus aufgehalten. Ein Strafgerichtssprecher bestätigte den Freispruch.

2008 war ein ähnliches Urteil zur Räumung der Yorckstraße 59 erfolgt. Weil auch hier keine korrekten Räumungstitel vorlagen, wurde eine Frau vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen.

Mehr als 20 Strafprozesse gab es bisher nach der Liebig-Räumung, zumeist wegen Straftaten auf Demonstrationen. Auch in den Monaten danach notierte die Polizei noch mehr als 40 Vandalismusdelikte am Haus.

Zweieinhalb Jahre habe er in der Liebig 14 gewohnt, sagte der Freigesprochene, der wieder in Rom lebt. "Statt einem Ort mit einzigartiger Atmosphäre läuft jetzt die Maschine der Gentrifizierung weiter." Den Freispruch aber habe man gefeiert: mit einem Lasagne-Essen auf dem Dach des inzwischen sanierten Hauses.

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4 Kommentare

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  • S
    Stefan

    @erikius: Nur, dass der Käufer vorher wußte, worauf er sich eingelassen hat. Es gab gültige Mietverträge, die dann vom Vermieter gekündigt wurden. Das Kalkül des Vermieters war: Haus günstig kaufen, Mieter rauswerfern, Sanieren, Miete erhöhen und absahnen. Also, wer sollte bitteschön den Polizeieinsatz bezahlen?!

  • M
    max

    lieber erikius,

     

    falls du es nicht verstanden hast:

    gericht und staatsanwaltschaft waren sich einig, dass die räumung rechtswidrig war. vielleicht sollte der gerichtsvollzieher, der durchaus auf die umstände der rechtswidrigkeit seiner handlungen hingewiesen wurde, die kosten des einsatzes zahlen.

  • E
    @erikius

    der eigentliche skandal is die räumung aufgrund ungültiger räumungstitel...

    aber das kennen wir ja vom staat. schei** auf gesetze und einfach tatsachen schaffen

  • E
    erikius

    Unglaublich, dass für die Sanierung, Polizeieinsatz etc. nicht die Verursacher belangt werden. Auch wenn dass hier nicht verhandekt wurde ist es der eigentliche Skandal: Für den Polizeieinsatz müssen die Stuerzahler löhnen. Also alle die, die Miete für ihre Wohnungen zahlen oder sich auf eigene Kosten ein Heim geschaffen haben. Diejenigen, die meinen sie könnten einfach fremdes Eigentum besetzen müssen noch nicht einmal finanziellen Konsequenzen dafür tragen, dass der Hausbesitzer wieder sein eigenes Haus vermieten darf / kann.