Freispruch für Mövenpick-Hotel-Gegnerin: Eine Hecke ist zu wenig
Mövenpick-Hotel-Gegnerin wird vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen: Grünfläche vor dem Wasserturm ist kein befriedetes Gelände.
"Erneute Schlappe für Mövenpick", sagt Rechtsanwalt Andreas Beuth. Kurz zuvor ist seine Mandantin Claudia Falke vom Vorwurf des Hausfriedensbruch freigesprochen worden. Ihr war zur Last gelegt worden, am 27. Juni 2010 widerrechtlich die Grünfläche des Mövenpick-Hotels im Schanzenpark betreten zu haben. Angezeigt hatte sie die "Managerin on Duty" der Herberge, Christiane M.
Diesem Ausgang des Verfahrens geht eine lange Geschichte voraus. Schanzenviertel-Bewohnerin Falke zählt zu den GentrifizierungsgegnerInnen, die sich um die Zukunft des Quartiers sorgen und ist gegen die Ansiedelung des Vier-Sterne-Hotels im historischen Wasserturm engagiert. Für dieses Engagement ist Falke wiederholt von der Polizei angegangen worden: Etliche Spaziergänge mit ihren Kindern oder Hunden endeten mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch, mit Ingewahrsamnahme oder sogar mit Verletzungen - stets begründet mit Falkes Betreten der Grünfläche.
Ende 2007 erhielt sie von der Polizei ein Aufenthaltsverbot für den Schanzenpark. Dieses wurde nach acht Wochen aufgehoben, nachdem Falkes Anwältin Ingrid Witte-Rhode vor dem Verwaltungsgericht eine Klage eingereicht hatte, über die im kommenden Monat verhandelt wird. Dennoch hatten sich mehr als 50 Verfahren wegen Hausfriedensbruchs aufgetürmt.
Die allesamt eingestellt werden mussten: Im Februar 2010 entschied nach langem Rechtsstreit das Oberlandesgericht (OLG), dass das frei zugängliche, von einem öffentlichen Rundweg umgebene Mövenpick-Areal kein "befriedetes Gelände" sei. Nach geltender Rechtssprechung des Reichsgerichts von 1884 ist ein Gelände dann befriedet, wenn es von "zusammenhängenden Schutzwehren gegen das Betreten durch Fremde gesichert ist". Im Klartext: Es bedarf einer Mauer oder eines Zauns.
Mövenpick und der Staatsschutz der Polizei hatten sich 2007 darauf berufen, dass eine Randsteinkante am öffentlichen Weg sowie einige Heckensegmente das Besitztum vom öffentlichen Park abgrenzen. "Ein physisches Hindernis ist die Randsteinkante mit Sicherheit nicht", sagte damals OLG-Richter Klaus Rühle - Vater des nun urteilenden Amtsrichters Carsten Rühle.
Nach dem OLG-Urteil ließ Mövenpick die Segmente zu einer geschlossenen Hecken vervollständigen. Jedoch ist die Grünfläche durch die ungesicherten Zugänge problemlos zu betreten, auch gibt es weiterhin keine Verbots- oder Hinweisschilder. "Wir wollten einen negativen Touch verhindern", erklärt das Hotel-Management. Nur die Veränderung der Hecke reiche nicht aus, um das Gelände zu befrieden, urteilte nun Amtsrichter Rühle.
Ob die Staatsanwaltschaft Berufung einlegt, ist unklar. "Es ist zwar ein schöner Erfolg", sagt Falke. "Aber die Drangsalierung durch die Polizei und die ausgeschlagenen Zähne macht es nicht vergessen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen