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Durchs wilde DröhnlandFreiheit befreien, chillen, surfen und Popstar sein

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten, traurigsten und unwichtigsten Konzerte der kommenden Woche

Was macht man mit Leuten, die ausgerechnet im Sommer auf die Idee kommen, Berlin zu besuchen? Von wegen Sommerloch und so. Man rät ihnen erst einmal, sich auf die Spuren Berliner Institutionen zu begeben. Sagen wir Funkturm, Tiergarten, Café M, Oranienburger Straße, Far Out. Was auch viel Lob geben könnte, weil ein hundertprozentiger Tip: der Besuch eines Space Hobos- Konzerts. Die muß jeder Berlin- Besucher wenigstens einmal gesehen haben, die gehören zu Berlin wie die Currywurst. Doch genug der Klischees.

Die Space Hobos sind ein Berliner Trio, das sich den rein instrumentellen Zweiminuten-Songs verschrieben hat. Die kann man einordnen unter den Rubriken Pulp Fiction und die Folgen, Easy Listening oder die Freitags-Krimi-Schiene im ZDF inklusive Aktenzeichen XY. Würde es die Space Hobos nicht schon eine kleine Ewigkeit geben, würden sie nicht schon seit Jahren eine Musik machen, die sich vor allem an den elterlichen Einbauschränken und Plattensammlungen orientiert. Und an haufenweise Spaß.

Woran sie sich bestimmt nicht orientieren: an Erfolg. Einen Masterplan, wie man nun auch kommerziell der Pop-Welt ordentlich die Taschen leert und die eigenen füllt, haben die Space Hobos nicht. Eine einzige CD-Veröffentlichung („Hobocops“) in all den Jahren spricht da Bände. Und auch ihre neueste Veröffentlichung scheint mehr daran interessiert, den eigenen Kultstatus zu erhöhen, als viele, viele Leute einen Blick in die Space-Hobos- Werkstatt werfen zu lassen. Das Konzert von heute ist zwar eine Record-Release-Party, doch in den Genuß eines neuen, brandaktuellen Tonträgers (Titel: „Y“) kommen nur die ersten fünfzig (50!) Besucher! So sie den denn wollen. Der Rest darf sich immerhin davon überzeugen, daß die Space Hobos eine der besten Live-Bands der Stadt sind. Über all die anderen tollen Sachen, die man in Berlin auch im Sommer machen kann, reden wir dann später.

Heute abend ab 23 Uhr im Miles, Greifswalder Str. 212–213

Daß HipHop aus Deutschland mittlerweile zu einem der größten Marktsegmente der einheimischen Plattenindustrie geworden ist, weiß man beim täglichen Konsum von Viva und MTV. Da rappen sie alle ihre Liebeslieder, sind furchtbar sentimental und klingen eben so, wie richtiger Pop zu klingen hat. Ein bißchen mehr darf es aber manchmal sein. Das dachte sich auch das Potsdamer Waschhaus und organisierte einen HipHop-Event mit Gruppen, die ein bißchen mehr zu sagen haben als „Sie ist weg und ich bin wieder allein“.

Geht man nach solchen Kategorien, müßten die Absoluten Beginner aus Hamburg die heutigen Headliner sein. Zum einen, weil sie früher „Freiheit befreien“ wollten, zum anderen, weil sie mit zunehmender Reife sich auch den Spaß am Chillen nicht nehmen ließen. Und das, ohne dabei inhaltliche Abstriche machen zu wollen.

„Politik wieder funky werden lassen“ heißt eines ihrer Vorhaben, weshalb ihr 96er Album „Flasniszm“ nach wie vor zum Besten gehört, was in diesem Land bislang an HipHop produziert worden ist. Auch der Stuttgarter Freundeskreis wehrt sich in Wort und Tat dagegen, in reine Spaß- und Konsumzusammenhänge geworfen zu werden. An die Schienen der Geschichte seine Ohren legen: das war die ultimative Aufforderung des letzten Jahres. Selbst wenn das mitunter recht unbeholfene und groteske Züge annahm und ihr Song A.N.N.A das peinlichste Lieblingslied landauf, landab wurde. Herz und Geist jedenfalls sitzen beim Freundeskreis am richtigen Fleck. Warum sich nun die Hamburger 5 Sterne Deluxe groß vom Focus- Viva-Schmuse-Rap unterscheiden sollen, bleibt allerdings ein Rätsel. Da glaubt man einfach mal dem Hype und erfreut sich kurzerhand an deren Witz, Reimqualitäten und De-La-Soul- Sound.

Am 8.8. ab 18 Uhr im Waschhaus, Schiffbauergasse 1, Potsdam

Manchmal haben selbst Berliner Clubs oder Rockvenues etwas zu feiern, Schließungen hin, Schulden her. Das freut um so mehr, wenn es die Insel in Treptow ist, die finanziell weder auf Rosen gebettet noch von ihrer Lage her besonders begünstigt ist. Die dortigen Blackboard Jungle- Nächte allerdings sind genauso zu einer Institution geworden wie beispielsweise die Space Hobos. Ab heute nachmittag feiert man den immerhin schon sechsten Geburtstag mit allen, die sich die Jahre über auf den drei Insel-Etagen Klinken und Plattenteller in die Hand gedrückt haben. Mithin also die besten DJs der Stadt, und die haben von TripHop, BigBeats, Reggae, Jungle oder HipHop alles im Repertoire, was an Sounds die Popmusik in den Neunzigern bestimmt.

Am 8.8 ab 16 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6

Die Song- oder Alben-Titel, die Pop an sich zum Thema machen, häufen sich im Moment. „Pop ist tot“, raunen die Braut Haut Ins Auge, „Pop Starts“ freuen sich die Pop Tarts (sic!), „Pop ist schöner als meine Mutter“ kalauert die Braunschweiger Band Großelber Großtanten. Wer da nicht zurückstehen will, ist die Berliner Band Blochin 81. „Popstar“ heißt ihre aktuelle Single, die mit diesem Titel vor allem den Wunsch als Vater des Gedanken kennt. Doch Blochin 81, benannt nach der sowjetrussischen Fußballegende Oleg Blochin, haben auch wirklich das Zeug dazu. Ihre Songs enthalten das, was man unter Pop mitunter auch versteht: gutes Songwriting und Melodien. Oder Lebensfreude und Gute- Laune-Musik, die beeinflußt ist durch Madness, Wolfhounds, The Wonderstuff oder aktuellen Brit- Pop.

Wären Blochin 81 aus Großbritannien, hätten sie sicher schon lange ein NME- oder Melody- Maker-Cover gehabt, hätte sich ihr Wunsch, Popstars sein zu wollen, zumindest für eine Woche erfüllt. Doch leider ist nur ihr Sänger von den Inseln. Warum er nun ausgerechnet in Berlin seine Zelte aufschlagen mußte, ist ein Rätsel, das bei der „Popstar“-Record- Release-Party vielleicht seine Auflösung erfährt.

Am 8.8. ab 22 Uhr im Schleusenkrug, Müller-Breslau-Straße, Tiergarten

Wenn wir schon bei Songtiteln sind: Was assoziert man mit „Der Sturm vor der Ruhe“, „Wolfsmilch“, „Death O Phobia“ oder „Lichtschmerzkerzenleidfeuer“? Klar, eine Musik, die zwischen Domplatte, Friedhöfen, Mitternachtsmessen und Metal-Lagern ihr Zuhause hat. Also Gothic Metal, wie der Lateiner sagt, oder „progressiver, aggressiver Mystic Metal“, wie es das Bandinfo von Dissolute Paradise verheißt. Mehr braucht man zu dieser Band eigentlich nicht zu sagen, höchstens noch, daß sich der Sänger mit seinem Gesang weder vor Moonspell noch Rammstein verstecken muß. Und der Dunckerclub möglicherweise viel zu klein sein könnte für den leider zu erwartenden Publikumsandrang.

Am 13.8. ab 21 Uhr im Dunckerclub, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg

Gerrit Bartels

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