Freihandelsabkommen mit der EU: „Kein Wunschkonzert“ für Brüssel
Der EuGH prüfte in einem Präzedenzfall, ob EU-Gremien Verträge wie Ceta allein abschließen können. Das scheint nicht der Fall zu sein.
Zwei Tage wurde am EuGH über das Freihandelsabkommen der EU mit Singapur verhandelt. Aber es stellten sich schon jetzt alle Fragen, die sich früher oder später auch bei Ceta (dem unterschriftsreifen Vertrag mit Kanada) und TTIP (dem noch nicht ausverhandelten Abkommen mit den USA) stellen werden.
Die EU-Kommission hatte den Fall vor den EuGH gebracht und von ihm ein Gutachten eingefordert. Sie findet, dass die EU-Gremien solche Verträge allein beschließen können. Kommissionsvertreter Ulrich Wölker erinnerte an den Lissabon-Vertrag von 2009. Danach sollte die EU die ausschließliche Zuständigkeit zum Abschluss internationaler Handelsverträge bekommen. „Doch nun versuchen die Mitgliedstaaten, alles wieder ganz eng auszulegen, damit doch alle nationalen Parlamente zustimmen müssen“, klagte Wölker. Das führe nur zu unnötigen Verzögerungen.
Sonja Boelaert, die Vertreterin des EU-Ministerrats, hielt dagegen: „Schwierigkeiten bei der Durchführung können die Zuständigkeitsfrage nicht beeinflussen.“ Das soll heißen: Auch wenn es länger dauert, müssten die nationalen Parlamente solchen Verträgen aus rechtlichen Gründen nun mal zustimmen. Und alle 15 EU-Staaten, die sich in Luxemburg zu Wort meldeten, sahen es genauso, inklusive der deutschen Bundesregierung.
Der EuGH kann die Regelungen nicht einfach übergehen
„So wie ein Tropfen Pastis ein Glas Wasser trüben kann, so kann schon eine einzelne Bestimmung in einem umfangreichen Vertrag diesen zu einem gemischten Abkommen machen“, betonte die niederländische Vertreterin Marianne Gijsen. Und es waren sogar fast ein Dutzend Regelungen, die laut den Mitgliedstaaten eine ausschließliche EU-Kompetenz verhindern. So viele Pastistropfen wird der EuGH, gerade in der aktuellen EU-kritischen Stimmungslage, kaum übergehen können.
Vor allem zwei Punkte dürften dabei aber im Mittelpunkt stehen. So hat die EU seit 2009 zwar die Kompetenz, bei Handelsverträgen auch Regelungen über „ausländische Direktinvestitionen“ zu treffen. Die neuen Abkommen betreffen aber nicht nur langfristige Beteiligungen, sondern auch kurzfristige Spekulationsgeschäfte, für die die EU keine exklusive Kompetenz habe. „Das wollten die EU-Staaten damals ausdrücklich verhindern“, betonte der Vertreter Litauens. Und Thomas Henze, der deutsche Vertreter, verwies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum EU-Lissabon-Vertrag. Dort sei diese Sichtweise der EU-Verträge für Deutschland sogar als „bindend“ erklärt worden.
Außerdem heißt es in den EU-Verträgen ausdrücklich, dass Verkehrsdienstleistungen nicht von der EU-Kompetenz für Handelspolitik umfasst sind. Die Versuche der Kommission, andere Kompetenznormen zu finden, stießen auf heftigen Widerstand der Mitgliedstaaten.
Die Richter fragten nicht viel, aber ein Wortwechsel des EuGH-Präsidenten Koen Lennaerts mit dem Kommissionsvertreter war aufschlussreich. „Das ist hier doch kein Wunschkonzert“, rief Lennaerts, als dieser die vermeintlichen EU-Kompetenzen bei Portfolio-Investitionen zu windig begründete.
Die Freihandelsabkommen an sich stellte in Luxemburg kein EU-Staat infrage. Die Beteiligung der nationalen Parlamente soll wohl nur die Legitimation der Verträge erhöhen und nationale Souveränitätsrechte betonen. Der EuGH wird sein Gutachten vermutlich erst 2017 verkünden.
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