Freihandelsabkommen TTP: Demokraten gegen Obama
Fast alle demokratischen Senatoren stimmten am Dienstag gegen ihren Präsidenten. Der wollte Vollmachten beim Aushandeln eines Freihandelsabkommens mit Asien.
WASHINGTON ap | Was hatte US-Präsident Barack Obama nicht alles versucht, um die Demokraten bei seinen Freihandelsplänen auf seine Seite zu ziehen. Doch seine Parteifreunde im Senat stellten sich trotzdem gegen ihn – und zwar fast geschlossen.
Alle demokratische Senatoren mit der Ausnahme von Tom Carper aus Delaware stimmten am Dienstag dagegen, Obama eine freiere Hand beim Abschluss der mit Europa und Asien geplanten Abkommen zu geben. Damit wollte der Präsident erreichen, dass der US-Kongress die Verträge nur komplett hätte ablehnen oder annehmen können. Ein langwieriges Beratungsverfahren entfiele. Doch daraus wird nichts: Statt der benötigten 60 Stimmen im Senat erreichten die Befürworter des Vorhabens nur 52 - und zwar überwiegend Republikaner. 45 Senatoren votierten dagegen.
Das von Obama erhoffte Kernstück seiner Wirtschaftspolitik in der zweiten Amtszeit, das Freihandelsabkommen TTP mit mehreren asiatischen Ländern, hat damit einen Dämpfer erlitten. Mit Europa verhandeln die USA zudem derzeit über das europäische Pendant TTIP.
Obwohl das Weiße Haus und Senatoren beider Lager bereits an einer Wiederbelebung des Vorhabens arbeiten, hat das Abstimmungsergebnis das Kapitol erschüttert. Es zeigt außerdem, wie zerstritten die Demokraten in Handelsfragen sind - und das eineinhalb Jahre vor der Präsidentschaftswahl.
Gewerkschaften gegen Freihandelsabkommen
Obama und die Befürworter sagen, solche Abkommen und der daraus resultierende leichtere Zugang zu anderen Staaten seien in einer globalisierten Wirtschaft für amerikanische Hersteller und Dienstleister lebenswichtig. Viele Demokraten und Gewerkschaften halten dagegen nichts von TTIP und Co., weil sie diese als Jobkiller betrachten. Frühere Freihandelsabkommen ließen ihren Angaben zufolge die Arbeitslosenzahlen in den USA steigen.
Die Abstimmung am Dienstag legte nicht nur die Bemühungen Obamas lahm, sondern auch die angespannten Verhältnisse innerhalb der Demokratischen Partei auf dem Kapitolshügel bloß. Die Parlamentarier beschweren sich seit Jahren, dass Obama sie vernachlässige.
Die aggressive Strategie des Präsidenten beim Werben ging von Treffen im Weißen Haus und Flügen in der Air Force One bis zu Versprechen von politischer Unterstützung. Um den Druck zu erhöhen, startete Obama eine PR-Kampagne, um seine Widersacher in den eigenen Reihen in Interviews und Reden anzugehen. Am Wochenende bezichtigte er seine eigentliche Stütze Elizabeth Warren aus Massachusetts, "eine Politikerin wie jede andere" zu sein.
Nichts davon half. Und das auch noch zu einer Zeit, in der Obama zum Ende seiner Präsidentschaft einer republikanischen Mehrheit in beiden Kongresskammern entgegensteht. Dabei sucht er händeringend nach etwas, das sein Vermächtnis werde könnte. In dieser Situation nicht mehr als einen einzigen Demokraten im Senat hinter sich zu wissen, das ist für den mächtigsten Mann der Welt ein peinlicher Rüffel.
Mehrere Demokraten reagierten beleidigt auf Obamas Angriffe
Der Spott der Republikaner ist Obama und seinen Gefolgsleuten sicher. „Es ist die Partei des Präsidenten“, sagt der republikanische Senator Orrin Hatch. „Es ist erstaunlich für mich, dass sie dies ihrem Präsidenten bei einem Gesetz dieser Größe antun.“
Das Weiße Haus spielt die Turbulenzen herunter. Vor der Abstimmung sagte Sprecher Josh Earnest, er verbitte sich vorschnelle Beurteilungen über Obamas Überzeugungskraft, bis die Regierung Gelegenheit bekommen habe, die Gesetzgebung durch den Senat zu bringen.
In der Tat setzte sich Obama kurz nach dem misslungenen Voting hin, um das Thema zu neuem Leben zu erwecken. Er versammelte wichtige Demokraten im Weißen Haus um sich, um mögliche Strategien durchzusprechen. Aus Parteikreisen hieß es, einige Demokraten seien bereit, eine umstrittene Bestimmung fallen zu lassen, die bei Währungsmanipulationen ein hartes Vorgehen vorsah. Es ist allerdings unsicher, ob die ausweglose Situation dadurch einfach so geregelt sein wird.
Mehrere Demokraten reagierten beleidigt auf Obamas Angriffe auf Mitglieder seiner eigenen Partei und seine Kritik an Warren. Freihandelsgegner Sherrod Brown sprach von Respektlosigkeit. Andere erklärten Obamas Werben um Anhänger für wenig überzeugend.
Senator Chris Coons aus Delaware sagte, er habe seit Beginn seiner Zeit im Senat noch nie einen Fuß ins Oval Office gesetzt. Jetzt, im Streit um den Freihandel, habe ihn Obama dort mit Senatoren empfangen. Daraus schließt Coons: „Wenn eine Regierung versucht, ihre Ziele voranzubringen, sind breite und tiefe Beziehungen hilfreich.“
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