Freier von Zwangsprostituierten sollen bestraft werden: SPD zweifelt am eigenen Gesetz
Der Vorschlag von Justizministerin Zypries, Kunden von Zwangsprostituierten zu bestrafen, trifft auf Skepsis.
BERLIN taz Der Vorschlag von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), Freier von Zwangsprostituierten zu bestrafen, ist bei ExpertInnen auf Skepsis gestoßen. In einem "Diskussionsentwurf" für die Rechtspolitiker der Koalition plädiert die Ministerin für Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren für Freier, die Prostituierte "unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist", sexuell missbrauchen.
Während die Union mault, weil sie sich eine weitergehende Formulierung wünscht, ist etwa der Koordinierungskreis der Fachberatungsstellen für Migrantinnen, KOK, nicht überzeugt: "Es ist sehr schwer zu beurteilen, ob sich eine Prostituierte in einer Zwangslage befindet", gibt Geschäftsführerin Katrin Adams zu bedenken. "Psychischer Druck macht keine blauen Flecke", erklärt sie. Viele Frauen würden in einer Art Schuldknechtschaft gehalten und müssten immer neue Fantasiegebühren abarbeiten oder man drohe, ihrer Familie etwas anzutun. All das könne ein Freier nicht erkennen. Sogar die SPD-Rechtspolitiker gehen auf Distanz zum Vorschlag ihrer Ministerin. So etwa die Vizechefin des Rechtsausschusses, Christine Lambrecht: "Mir geht es darum, den Frauen zu helfen. Das kann man nur, wenn man ihnen mehr Rechte gibt. Bekommt eine Zwangsprostituierte ein Bleiberecht, dann wird sie auch gegen die Menschenhändler aussagen." Ein solches Bleiberecht gewährt etwa Italien Opfern von Menschenhandel.
Die Grünen mutmaßen, dass Justizministerin Zypries sich von der Union unter Zugzwang gesetzt fühlt: "Weitestgehende Kontrolle über die Prostitution und bitte keine aufenthaltsrechtlichen Zugeständnisse an die Opfer von Menschenhandel - das ist es, was für die Union wirklich zählt", sagt die parlamentarische Geschäftsführerin Irmingard Schewe-Gerigk. "Die Justizministerin darf sich von der Union nicht unter Druck setzen lassen", fordert sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau