Frauenrollen beim Filmfestival Venedig: Demütigung vom Praktikanten
Lidokino 4: Die Filmfestspiele bieten starke Frauenrollen in nicht immer starken Filmen. Nicole Kidman und Angelina Jolie spielen groß auf.
W enn man nach Venedig zu den Filmfestspielen fährt, lautet eine der wiederkehrenden Fragen: „Und: hast du schon viele Stars gesehen?“ Doch obwohl es davon dieses Jahr einigermaßen viele gibt, boten sich an den ersten beiden Tagen noch nicht allzu viele Gelegenheiten der Starbeschau. Immerhin war die Jurypräsidentin Isabelle Huppert im Palazzo del casinò zu sehen, wie sie diesen im langen dunklen Kleid und mit noch dunklerer Sonnenbrille verließ.
Dafür gab es in Pablo Larraíns Wettbewerbsbeitrag „Maria“ reichlich Gelegenheit, Angelina Jolie dabei zu beobachten, wie sie Maria Callas in der letzten Woche ihres Lebens gibt. Die Diva, führt Larraín ausgiebig vor, war in dieser Phase ihres Lebens stark tablettenabhängig und in ihrem erratischen Verhalten für ihr Umfeld vermutlich nicht immer leicht zu ertragen. Dass Jolie ihrem Vorbild nicht realitätsgetreu nachgebildet wurde, ist eine gute Entscheidung. Man sieht vielmehr eine Diva als Diva, was Jolie überzeugend darbietet.
Dass ihr Butler Ferrucio (Pierfrancesco Favino) und ihre Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher), wie die meisten übrigen Darsteller, mit Akzent Englisch sprechen müssen, ist weniger überzeugend, und dass es überhaupt viel darum geht, wie die Callas ihr Personal mit ständigem Klavierverschieben straft, weil dieses verzweifelt versucht, die Tabletten vor ihr zu verstecken, grenzt an Voyeurismus. Besser schon die Entscheidung, einen imaginären Journalisten als Interviewpartner der Callas auftreten zu lassen, der so heißt wie ihre bevorzugte Arznei: Mandrax (Kodi Smit-McPhee).
Eine weitere starke Frauenfigur ist die von Nicole Kidman gegebene Unternehmerin Romy Miller in „Babygirl“ der niederländischen Regisseurin Halina Reijn. Diese ist Geschäftsführerin eines Unternehmens, das Roboter für Logistikunternehmen herstellt, mithin Geräte, die so programmiert werden, dass sie das tun, was man ihnen sagt. Als der sehr selbstbewusst auftretende Praktikant Samuel (Harris Dickinson) bei ihr zu arbeiten anfängt, lässt sie sich mit diesem auf eine Beziehung ein, in der sie ihre bis dahin geheim gehaltene Unterwürfigkeit auslebt. Sie lässt sich fortan von Samuel sagen, was sie zu tun hat.
Nicole Kidman erweckt diese nicht immer plausibel angelegte Figur in all ihrer Widersprüchlichkeit heftig zum Leben, trotz einiger Schwächen des Drehbuchs. Die Sache wird am Ende zum recht plumpen Plädoyer für emanzipierte Diversität. Das wäre auch ohne Hammer gegangen.
Höhenflüge und Bruchlandungen
Dann doch lieber die klassisch verwickelte Liebesgeschichte „Trois amies“ von Emmanuel Mouret. Diese drei Freundinnen, von denen sein Wettbewerbsfilm erzählt, sind auf unterschiedliche Weise von ihren eigenen Erwartungen an die Liebe gefangen. Die eine, Joan (India Hair), muss sich irgendwann eingestehen, dass sie ihren Mann nicht mehr liebt.
Die andere, Alice (Camille Cottin), geht die Liebe pragmatisch an und will sich nicht zu sehr auf ihren Partner einlassen. Und die dritte, Rebecca (Sara Forestier), hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann, von der sie den anderen Freundinnen lieber nicht zu viel erzählen möchte.
Mouret stattet seinen Reigen an emotionalen Höhenflügen und Bruchlandungen, wie in französischen Filmen oft der Fall, mit vielen Dialogen aus, einen Kommentar aus dem Jenseits gibt es obendrein. Davon ist es allerdings nicht zu viel. Sie sind, wie das Spiel des recht großen Figurenensembles, elegant balanciert.
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