Frauenrechte in Saudi-Arabien: Druck aus Europa
Rund 160 Parlamentarier*innen aus Deutschland und Europa haben sich an Riad gewandt. Sie fordern ein Ende der Diskriminierung von Frauen.
Zwar hätten die saudischen Behörden einige der Beschränkungen aufgehoben, „denen Frauen unter dem repressiven männlichen Vormundschaftssystem ausgesetzt sind, einschließlich der Erlaubnis für Frauen, eigene Pässe zu beantragen und ihnen mehr Kontrolle über Familienangelegenheiten zu gewähren“, heißt es in der Stellungnahme. „Aber sie haben das männliche Vormundschaftssystem keineswegs abgeschafft.“
So könnten Frauen weiterhin weder frei über ihre Ausbildung, Beschäftigung, Gesundheit oder Wahl ihres Ehepartners entscheiden, noch die saudische Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weitergeben. Ähnlich wie in einigen anderen arabischen Staaten erhalten Kinder von saudischen Frauen, die mit einem Nicht-Saudi verheiratet sind, nicht die saudische Staatsbürgerschaft. Sie können sich erst mit Erreichen der Volljährigkeit darum bewerben.
Unterzeichnet haben die Petition Abgeordnete des deutschen Bundestags, des irischen und britischen sowie des EU-Parlaments. Unter den deutschen Unterzeichner*innen finden sich, von der AfD abgesehen, Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Fraktionen, darunter Martin Patzelt (CDU/CSU), Konstantin von Notz (Grüne), Sahra Wagenknecht (Linke) sowie die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses Gyde Jensen (FDP).
Ungenügender Schutz vor Missbrauch
Weiter kritisieren die Unterzeichner*innen, dass in Saudi-Arabien geschlechtsspezifische Gewalt nicht angemessen geahndet werde. Zwar gebe es neue Regelungen zum Schutz vor Missbrauch, doch fehlten hier die Mittel zur Durchsetzung. Viele Frauen lebten deswegen weiterhin in missbräuchlichen Beziehungen.
Die gemeinsame Stellungnahme wurde initiiert von der in London ansässigen Menschenrechtsorganisation ALQST. Vergangene Woche hatten sich Menschenrechtlerinnen aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf einer virtuellen Konferenz mit Bundestagsabgeordneten über die Lage von Frauen im Königreich ausgetauscht.
Mit dabei war auch Lina al-Hathloul, Schwester der im Februar aus dem Gefängnis entlassenen Aktivistin Loujain al-Hathloul. Sie erhob schwere Vorwürfe gegen die staatliche saudische Menschenrechts-Kommission. „Die Menschenrechtskommission ist in Wirklichkeit ein PR-Werkzeug der Regierung“, sagte al-Hathloul. Ihre Vertreter betrieben in europäischen Parlamenten intensive Lobbyarbeit, um das Image Saudi-Arabiens aufzupolieren.
Das 2005 ins Leben gerufene Gremium sei das Symbol eines Saudi-Arabiens, das nach außen – für westliche Länder – Reformen vorspiele, in Wirklichkeit aber kaum etwas verändere. So hätten Mitglieder der Kommission ihre Schwester zwar im Gefängnis besucht, auf deren Beschwerden über Folter aber nicht reagiert.
Lina al-Hathloul betonte zudem, dass ihrer Schwester bei Freilassung schwere Restriktionen auferlegt wurden. „Sie wurde entlassen, aber sie ist nicht frei.“ Loujain al-Hathloul erhielt ein fünfjähriges Ausreiseverbot aus Saudi-Arabien. Auch darf sie sich offenbar nicht politisch äußern. Seit ihrer Freilassung war von ihr persönlich nichts zu hören. Ihre Schwester Lina, die in Belgien lebt, spricht für sie.
Die Unterzeichner*innen der gemeinsamen Stellungnahme erinnern auch an das Schicksal der Aktivistinnen Nassima al-Sadah und Samar Badawi. Beide sitzen weiterhin in Haft. Samar Badawi ist die Schwester Raif Badawis, dessen Fall nach seiner Verurteilung zu 15 Jahren Haft und 1.000 Stockhieben im Jahr 2014 international für Schlagzeilen gesorgt hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Israelis wandern nach Italien aus
Das Tal, wo Frieden wohnt