Frauenhandball-Bundesligist SV Buxtehude: Au Backe!
Buxtehudes Handball-Frauen haben zwar eine neue Halle, aber trainieren durften sie dort erstmal nicht: Der Stadt waren ihre Gepflogenheiten zu dreckig.
Schon seit Längerem brüten Tüftler in der Schweiz an einem unsichtbaren „Klettverschluss“ für Handballspieler: mit der einen Flüssigkeit wird der Ball eingestrichen, mit der anderen die Hände. Bei Kontakt verbinden sich die Stoffe. Der Ball klebt an der Hand. So, wie es Profis für ihre kunstvollen Roller, Leger und Heber brauchen.
Berichtet hat davon neulich Peter Prior, der langjährige Manager des Frauen-Bundesliga-Teams Buxtehuder SV (BSV). Gebe es das Haft-Öl schon, hätte er vermutlich eine weniger stressige Woche hinter sich gehabt – vorvergangenen Montag hatte die Stadt Buxtehude dem BSV nämlich untersagt, in der nagelneuen „Halle Nord“ Harz zu verwenden.
Das benötigte, gelbe Haftmittel hinterlasse zu viele Spuren, die Halle könne derart verschmutzt für den Schulsport nicht genutzt werden. Man wisse nicht, wie der Boden zu reinigen sei. Also: Trainingsverbot für alle BSV-Leistungsmannschaften ab der C-Jugend aufwärts, ausgesprochen vom Schul- und Sportamt. An eine vernünftige Vorbereitung für das Spiel in Neckarsulm wäre nicht zu denken gewesen, da auch die alte „Halle Nord“ wegen Bauarbeiten nicht zur Verfügung stand. Dass diese auch noch wegen Krankheit ausfielen, war eine zusätzliche Note dieser Posse.
Die Social-Media-Reaktion auf die städtische Entscheidung war jedenfalls verheerend – wofür eine heiß ersehnte, eine Woche zuvor eröffnete neue Halle, wenn Training unter Wettkampfbedingungen unmöglich ist? Schließlich ist Leistungshandball in der bekannten Form ohne Klebstoff an Fingern und Ball unmöglich. Vor dem Spiel und mittendrin tauchen die Profis ihre Finger in die Töpfe, haben Harzbatzen auf einem Klebestreifen am Schuh, um „nachzutanken“. Handball ohne Harz wäre wie Fußball ohne Stollenschuhe.
Dass die derart verschmutzten Hallen schon ein Problem darstellen, weil mancherorts Geld, Personal und Gerät für die Reinigung fehlen, zeigt das Beispiel Berlin: Dort soll „Backe“ – Handballerjargon für Harz – nur noch in ausgewählten Hallen erlaubt sein.
In Buxtehude hat man sich am vergangenen Dienstag geeinigt. Nicht ohne ein paar gegenseitige Schuldzuweisungen. Dem BSV missfielen Kurzfristigkeit und Ton, der Stadt der Fakt, dass der BSV an die Öffentlichkeit gegangen war. „Auf jedwede Kritik reagieren Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt und die Buxtehuder Verwaltung extrem empfindlich. Erst recht, wenn diese öffentlich wird“, entgegnete Peter Prior. Er verweist auch darauf, dass der Verein und das Reinigungsunternehmen über fast 40 Jahre Erfahrung im Reinigen Backe-verschmutzter Böden verfügten – schließlich sei die alte Halle ja auch gesäubert worden.
Im Übrigen gab es von den Umland-Klubs sofort Solidaritäts-Adressen, der BSV hätte von Buchholz bis Himmelpforten in Ausweichquartieren trainieren können.
Wie zu hören war, gibt es in der neuen Halle mit ihren 23 Millionen Baukosten noch andere bauliche Schwierigkeiten, die dem Profihandball im Weg stehen – viele Glasscheiben hinter dem einen Tor etwa, dort mangelt es an Ballfangnetzen. Auch scheinen die nötigen Abstände zwischen Auswechselbank und Tribünen zu fehlen. Eine konkrete Ansprechperson der Stadt bezüglich Handball-spezifischer Bedürfnisse hatte der BSV ohnehin vermisst. Nun muss manches nachverhandelt werden. Mühsam.
Aber dies und anderes wollen der BSV und die Stadt demnächst im Dialog besprechen: „Wir wollen offene Fragen schnell und einvernehmlich beantworten“, sagt Prior. Das Backe-Problem ist ja erst mal gelöst. Sportlich hinterließen die unruhige Wochen aber offenbar Spuren: Trainer Dirk Leuns Team ging im dritten Saisonspiel am Samstag in Neckarsulm mit 22:31 unter.
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