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Frauenhäuser unter DruckWeniger Plätze, weniger Zeit

500.000 Euro will Schleswig-Holstein bei den Frauenhäusern sparen. Hilfesuchende werden vermehrt in die Nachbarländer ausweichen müssen. Auch in Hamburg müssen die autonomen Frauenhäuser schon heute jedes Jahr hunderte Frauen und Kinder weiterschicken - unter anderem nach Schleswig-Holstein.

Umkämpfte Einrichtung: Wie 2004 in der Hamburger Bürgerschaft kämpfen jetzt auch Frauenhäuser in Schleswig-Holstein um ihren Erhalt. Bild: dpa

Wird es ein schwarzer Freitag? Die frauenpolitischen Sprecherinnen aller Fraktionen im Kieler Landtag kommen heute zusammen, um einen Blick in die Zukunft zu werfen. Und die sieht aller Wahrscheinlichkeit nach düster aus.

Geht es nach den vor zwei Wochen von der Landesregierung verkündeten Kürzungen, sollen die schleswig-holsteinischen Frauenberatungsstellen in den nächsten zwei Jahren 100.000 Euro weniger bekommen. Derzeit werden sie noch mit 1,05 Millionen gefördert. Die 16 Frauenhäuser im Land sollen - statt zuletzt 4,1 Millionen Euro im Jahr - rund 500.000 weniger bekommen.

Komplett gestrichen werden die Zuschüsse für Mädchentreffs, das Langzeitarbeitslosenprojekt "Frau und Beruf" oder auch den Landesfrauenrat. Für diese Einrichtungen bedeuten die Sparmaßnahmen von Schwarz-Gelb das Aus.

Das kostet Gewalt

Was es kostet, wenn ein Ehemann seine Frau verprügelt, haben die schleswig-holsteinischen Frauenhäuser errechnet.

Der Einsatz von Polizei und Notarzt macht fast 580 Euro.

Eine Woche Krankenhaus für die Frau: etwa 1.300 Euro.

Eine Woche Inobhutnahme der beiden Kinder: 1.960 Euro.

Zwei Jahre Haft wegen Körperverletzung: 33.000 Euro.

Psychotherapie für Frau und Kinder kosten knapp 5.300 Euro.

Ein Jahr sozialpädagogische Familienhilfe für die Familie, drei Stunden in der Woche: 7.714 Euro.

Insgesamt können so Kosten von bis zu 115.000 Euro entstehen.

Ursula Schele vom Landesverband Frauenberatung rechnet damit, dass kleinere Frauenhäuser fusionieren müssen oder in jedem Landkreis nur noch je eines finanziert wird. "In der Notrufarbeit", sagt sie, "werden sich die Zeiten drastisch verkürzen". Hilfesuchenden Frauen könne dann nicht mehr die Aufmerksamkeit gewidmet werden, die sie eigentlich benötigten.

Nach Angaben der Landesregierung sind es weit mehr als 2.000 Frauen und Kinder, die jedes Jahr wegen häuslicher und psychischer Gewalt in die schleswig-holsteinischen Frauenhäuser flüchten. Was aus ihnen wird, wenn die Hilfsangebote wegen Einsparungen wegbrechen? "Es werden viel mehr Frauen verrentet", sagt Schele, "und noch mehr als jetzt müssen in Kliniken".

Dabei sind die Folgekosten häuslicher Gewalt hoch: Ein Mann, der seine Frau verprügelt, kostet das Land und den Bund zusammen rund 115.000 Euro - inklusive Polizei- und Notarzteinsatz, Inobhutnahme der Kinder und anschließende Therapien. Satte 14,5 Milliarden Euro kommen da jedes Jahr bundesweit zusammen, haben die schleswig-holsteinischen Frauenhäuser ausgerechnet.

In Itzehoe fragen sich die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen, wie sie künftig über die Runden kommen sollen. "Wir müssen dann etwa 22.000 Euro im Jahr selbst einwerben", sagt Christiane Busse - damit wären die laufenden Kosten gedeckt. Einsparmöglichkeiten gebe es keine, sagt Busse verärgert. "Wenn wir es nicht schaffen, Gewalt zu verhindern, dann müssen wir es doch wenigstens hinkriegen, die betroffenen Frauen aufzunehmen."

Hilfesuchende Frauen aus Schleswig-Holstein werden künftig verstärkt in anderen Bundesländern unterkommen müssen. Engpässe gibt es allerdings auch bei den Nachbarinnen: So können die fünf autonomen Frauenhäuser in Hamburg derzeit jedes Jahr mehrere hundert Frauen und Kinder nicht aufnehmen: wegen Platzmangels. Diese Betroffenen werden wiederum weitervermittelt, sagt die Frauenhaus-Mitarbeiterin Verena Roller-Lawrence: nach Bremen oder auch mal nach Bayern - und nach Schleswig-Holstein.

Seit 2002 seien kontinuierlich die Finanzmittel seitens der Stadt gekürzt worden, 2008 fror die Sozialbehörde dann den Stellenschlüssel der Frauenhäuser ein. Auf eine Mitarbeiterin kommen seitdem 8,25 Plätze. Zu viel, um sich wirklich mit den Opfern auseinander zu setzen, sagt Roller-Lawrence. Wenn, wie momentan, die Häuser voll belegt sind, bleibe nur wenig Zeit für Beratungen, erste Krisengespräche oder auch die Schuldenberatung.

Um wenigstens etwas Abhilfe zu schaffen, richten die Hamburger autonomen Frauenhäuser am kommenden Sonntag wieder einen Benefizlauf aus. Was dabei zusammenkommt, fließt direkt an die Bewohnerinnen, zum Beispiel für Kinderfeste. "Wir leisten uns damit Dinge", sagt Roller-Lawrence, "die von staatlichen Geldern nicht finanziert werden".

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9 Kommentare

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  • HG
    Häusliche Gewalt ...

    ... geht zu gleichen Teilen von Frauen wie von Männern aus. Auch hinsichtlich der Verletzungsschwere unterscheidet sich häusliche Gewalt von Frauen nicht von der von Männern. Unterschiede gibt es hingegen im Umgang mit häuslicher Gewalt. Während es in Deutschland 465 Frauenhäuser gibt, gibt es keinen einzigen Schutzraum für Männer. Meldungen bei der Polizei bezüglich häuslicher Gewalt seitens der Frau werden nicht geglaubt oder erfolgen gar nicht erst, weil Frau mit Scheidung und/oder Verlust des Umgangsrechts der gemeinsamen Kindern droht.

  • F
    Floh

    Hat jemals ein Rechnungshof ein Frauenhaus überprüft?

  • HG
    Häusliche Gewalt ...

    ... geht zu gleichen Teilen von Frauen wie von Männern aus. Auch hinsichtlich der Verletzungsschwere unterscheidet sich häusliche Gewalt von Frauen nicht von der von Männern. Unterschiede gibt es hingegen im Umgang mit häuslicher Gewalt. Während es in Deutschland 465 Frauenhäuser gibt, gibt es keinen einzigen Schutzraum für Männer. Meldungen bei der Polizei bezüglich häuslicher Gewalt seitens der Frau werden nicht geglaubt oder erfolgen gar nicht erst, weil Frau mit Scheidung und/oder Verlust des Umgangsrechts der gemeinsamen Kindern droht.

  • F
    Floh

    Hat jemals ein Rechnungshof ein Frauenhaus überprüft?

  • A
    Atan

    So traurig solche Einsparungen auch sind, werden solche Einrichtungen auch irgendwie weitergeführt werden. Inzwischen kann die Polizei auch gewalttätige Männer aus den Wohnungen verweisen, dass die Opfer eben nicht gehen müssen, sondern die Täter.

    Ich denke, vor dem Hintergrund, dass S-H. sogar willentlich seine Zukunft durch Zerschlagung von Einrichtungen wie der medizinischen Fakultät in Lübeck vernichten will, muss man als erstes hier z.B. den GAU abwenden, weil sonst irgendwann vielmehr fehlt also "nur" 500.000 EUR in einem bestimmten Sozialbereich.

  • L
    Loler

    @ Dietmar, wo sie solche Studien herhaben, sollten sie mal per verweise belegen, also 50:50 halte ich nun wirklich sehr überzogen, zumal man sich auch angucken sollte wodurch die Gewalt jeweils entsteht...

    Häusliche gewalt entsteht oftmals auch durch einen erhöhten über lange zeit anhaltenden alkoholkonsum, und der ist bei männlichen Bürgern nun mal deutlich höher, sehe man sich die Handwerker usw an die morgens schon beim bäcker 2 kurze ne bild und ne büchse bestellen...

    des weiteren frust durch arbeitsverlust usw...

    hinzu kommt oftmals die körperliche unterlegenheit der frauen und männer die ihre aggressive und dominierende haltung zeigen lassen. und mir wäre neu, das wir in deutschland soviele frauen haben die dem chienesischen schwimm- oder kugelstoßerinnen der 80er jahre gleichen.

    ich will gar nicht sagen das nur vereinzelt frauen auch physische oder psychische gewalt ausüben aber nicht in dem maß wie wir Männer....

    achso und Steuern zahlen also auch nur wir männer?

    wäre mir auch vollkommen neu

    ich frage mich langsam echt in welcher welt sie leben...

    traurig das es solche leute hier gibt

    und es gibt zwar keine Männerhäuser finanziert vom staat aber wieviele obdachlosenunterkünfte usw, in denen fast nur männer herbergen...

    augen auf im Leben

  • K
    kamy

    @Dietmar

     

    kaum zu glauben - dieses Ausmaß an Realitätsverleugnung.

     

    Natürlich gibt es auch Frauen, die ihre Männer schlagen oder psychische Gewalt in der Beziehung ausüben. Aber das sollte doch nicht dazu führen, dass man die Hilfe für schwer misshandelte Frauen abschafft! Vielmehr muss der Opferschutz viel weiter gefasst und ausgeweitet werden. Und Männer, die aus Scham die Misshandlung verschweigen, müssen ermutigt werden, sich Hilfe zu holen.

     

    Was die schwere körperliche Misshandlung angeht ... das ist nun wirklich eine Männerdomäne. Zählen sie doch mal die Frauen, die wegen häuslicher Gewalt im Krankenhaus oder auf dem Friedhof landen und vergleichen sie die Anzahl der von Frauen brutal verprügelten Männer. Wenn sie da von 50:50 reden, ist ihnen nicht mehr zu helfen. Dann leiden sie an selektiver Wahrnehmung, die jede weitere sachliche Diskussion nutzlos macht.

     

    Bauen sie Männerhäuser.

  • RG
    roland geibel

    Wenn das alles soo viel kostet, dann waere es doch sehr sinvoll, frueher anzusetzen und Familien vor und in Krisen-Situationen fundierte Beratung zukommen zu lassen. Was man da an Folgekosten (Justizvollzugsanstalten, Kinderheime, Frauenhaeuser, ... ) sparen koennte!

  • D
    Dietmar

    Es ist bekannt und durch Studien belegt, dass häusliche Gewalt auch von Frauen verübt werden.

    Man spricht von einem Verhältnis 50 : 50.

    Männerhäuser gibt es so gut wie keine und werden auch nicht staatlich gefördert.

    Daher scheint es mir die Aufgabe der Frauen zu sein, das sie ihre Frauenhäuser selbst finanzieren.

    Die Steuergelder für die vom Staat finanzierten Frauenhäuser sind hauptsächlich Steuergelder, die von den Männern erwirtschaftet werden.

     

    Zudem ist es unerträglich, dass Frauen die Kinder den Väter entziehen und dort unter Anleitung einen Ungangsboykott realisieren.

     

    Es ist wahr, wenn Männer gewaltätig sind, müssen die Kinder vor diesen gewaltätigen Männern geschützt werden.

    Das ist aber ein geringer Prozentsatz.