Frauenfußball-Turnier in Portugal: Fast wie Geheimtraining
Die deutschen Fußballerinnen wollen beim Algarve-Cup an zuletzt gute Leistungen anknüpfen. Der deutsche TV-Markt hat daran kein Interesse.
Allzu oft bekommt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ihr Team nicht zu sehen. Doch die Erinnerungen an das letzte Treffen am 9. November dürften noch recht lebendig sein. Vor der europäischen Rekordkulisse von knapp 78.000 Zuschauern besiegten die deutschen Fußballerinnen in London England mit 2:1. Und das Wembleystadion durchflutete eine Stimmung des Aufbruchs. Der Frauenfußball hatte große Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Vier Monate später wird Martina Voss-Tecklenburg ihre Spielerinnen zum Start des Algarve-Cups am Mittwoch gegen Schweden (17.30 Uhr MESZ) erneut beim Fußballspielen zusehen können. Ihrem Beispiel werden nicht viele folgen. In Faro, im Süden Portugals, kommen zum Turnier gewöhnlich ein paar Hundert Zuschauer zusammen. Und im deutschen TV-Programm sind die Länderspiele nicht im Angebot. Der DFB gab am Montag bekannt: „Trotz intensiver Bemühungen wird leider kein deutscher TV-Sender unsere Spiele übertragen.“
Man habe vergeblich versucht, auf den portugiesischen Verband, der Rechteinhaber für die TV-Vermarktung ist, Einfluss zu nehmen. Während sich Männerländerspiele trotz exorbitant steigender Preise für den deutschen TV-Markt immer rechnen, scheinen bei den Rechnungen für die Frauenländerspiele andere mathematische Gesetze zu gelten.
An dieser Stelle droht der deutsche Frauenfußball ebenso wie im Wettbewerb der nationalen Ligen von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Beim gleichzeitig stattfindenden SheBelieves Cup in den USA nehmen die Engländerinnen und Spanierinnen teil. Ihre Spiele werden in den Heimatländern ausgestrahlt.
Technische Probleme beim DFB
Ebenso verhält es sich beim erstmals ausgetragenen Tournoi de France, das am Mittwoch startet. Die Partien der europäischen Teams (Frankreich und Niederlande) sind für deren TV-Publikum ebenfalls zugänglich. Immerhin hat der DFB nun in letzter Minute einen Livestream über den eigenen Kanal (DFB-TV) organisiert. Zuvor hieß es noch, das sei wegen technischer Probleme nicht möglich.
Mehr Respekt für den Frauenfußball hat Bundestrainerin Voss-Tecklenburg vor wenigen Wochen gefordert. „Wir brauchen die Unterstützung aus der Gesellschaft, aus der Politik, von den Medien. Wir brauchen Chancengleichheit auf allen Ebenen.“ Das mediale Desinteresse am Algarve-Cup unterstreicht die Dringlichkeit dieser Forderung.
Dass das deutsche Team nicht mehr höchsten Ansprüchen genügt und sich neu finden muss, vereinfacht die Lage nicht. Voss-Tecklenburg warnte vor dem Auftaktspiel gegen den wohl schwersten Gegner Schweden vor zu hohen Erwartungen. Geplant sei, „möglichst viele Spielerinnen zu sehen und taktisch einige neue Dinge auszuprobieren“. Ergebnisse seien nur zweitrangig. Das eher mäßige Teilnehmerfeld beim Algarve-Cup hilft gewiss dabei, dass diese Experimente nicht allzu sehr schiefgehen. Drei Halbfinalisten der letzten Weltmeisterschaft in Frankreich, England, den Niederlanden und den USA, haben sich für eines der beiden anderen Turniere entschieden.
Weil sich das deutsche Team bei der WM nicht für die Olympischen Spiele dieses Jahr in Tokio qualifizieren konnte, bevorzugt die Bundestrainerin offenbar einen behutsamen Aufbau. Zwischen 2016 und 2018 nahm das deutsche Team dreimal in Folge am mittlerweile prominenter besetzten SheBelieves Cup in den USA teil. Nun erklärt Voss-Tecklenburg auch, sie habe die Reisestrapazen mitten in der Saison meiden wollen.
Beim Algarve Cup, kündigte die Bundestrainerin an, wolle man an die guten Leistungen von letztem November in London anknüpfen. Die Aufbauarbeit werden aus deutscher Perspektive lediglich ein paar Touristen und Internetjunkies live mitverfolgen. Es gibt jede Menge zu tun im deutschen Frauenfußball.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“